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Disneyland am Donaustrand

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„Papi, fahren wir nach Wien, Gratiswürstel essen.“ Dieser Satz, millionenfach von Kindern in aller Welt in allen Sprachen gesprochen, soll Väter und Mütter 1995 motivieren, nach Wien zur Weltfachausstellung zu kommen; mit den Sprößlingen an der Hand, versteht sich.

Ein erstes Marketingkonzept, präsentiert von Gesundheitsminister a. D. Franz Kreuzer bei der zu Beginn dieser Woche von der Republik Österreich und der Stadt Wien im Wiener Rathaus durchgeführten Enquete über das Vorhaben der beiden Donaumetropolen Wien und Budapest, gemeinsam 1995, aber auch schon vorher und selbstverständlich auch danach, „Brücken in die Zukunft“ zu bauen. Kreuzer beginnt und endet bei der Weltausstellung als Riesen-Medien-Schau, als Spektakel, als Ansammlung von „Knüllern“ — wie etwa dem erwähnten Kinderdurchfüttern -, als auf ein Jahr verlängertes Neu- jahrskonzert mit einem Wien-Budapest Öperettenfestival und einem , .intelligenten, elektronischen TV-Wurstelprater als Disneyland der alten Welt“. Brücken in die Zukunft? Überzeugend vorgestellt jener Kommission des Pariser Ausstellungsbüros BIE, die von Donnerstag bis kommenden Mittwoch in Wien, danach in Budapest, vor Ort über die Eignung der beiden Hauptstädte für eine Weltausstellung befinden soll?

Kreuzer ist für Investitionen, die jedes Weltausstellungselement als „Fernsehaufwand“ begreifen. Die Weltausstellungsbesucher sind für ihn „Statisten des Happenings“; das eigentliche Publikum sind Hunderte oder gar Tausende Millionen Fernseher und Radiohörer. Eine Perversion des Weltausstellungsgrundgedankens, der mit seinem Generalthema doch auf die Begegnung zweier Städte und Länder mit gemeinsamer Vergangenheit, unterschiedlicher Gegenwart und gemeinschaftlicher Zukunft setzt; der mit der Selbstdarstellung von Wien und Budapest, von Ungarn und Österreich - in ihrer unverwechselbaren Einzigartigkeit (so eine Marketingforderung der Touristikfachleute) - modellhaft gegenwärtiges und künftiges friedliches Miteinander in einer noch mehrfach geteilten Welt demonstrieren soll.

Uberlaßt die Expo ‘95 nicht nur den Managern, Marketingexperten, Touristikfachleuten, Architekten, Städte-, Verkehrsplanern und dem ORF! Natürlich soll 1995 für Österreich und Ungarn auch ein wirtschaftlicher Erfolg werden; wenngleich ernsthaft darüber gestritten werden muß, was alles als ein solcher reklamiert werden kann.

Das Mitnaschen der Bundesländer am Weltausstellungserfolg gehört noch deutlicher erörtert. Die Expo *95 soll ja schließlich von Gesamtösterreich getragen werden, wenngleich sie in Wien stattfindet.

Wesentlich wäre, auch hier Brücken zu schlagen. Man könnte beispielsweise einen Informationsbus, eine Informationskarawane durch Österreich schicken; dabei müßte erst einmal Wien seine Vorstellungen präsentieren und im Verlaufe der Österreich- Tour die Karawane durch Vorstellungen aus den Bundesländern vervollständigen la ssen - ein symbolischer Akt zugleich.

Die Chancen der Weltausstellung für Wien und Budapest bergen auch Gefahren. Die gravierendste wurde schon genannt: Wenn man das Thema „Brücken in die Zukunft“ als inhaltsleeres Allerweltsthema begreift, keine Brückenphilosophie entwickelt, besteht die Gefahr des Abstür- zens, weil die Brücke — wie es eine auf der Enquete präsentierte bissige Karikatur darstellte — irgendwo im Nichts beginnt und ebendort auch endet.

Die Weltausstellung Wien-Budapest darf nicht zum Selbstzweck verkommen. Dazu wird von österreichischer Seite auch eine vermehrte Auseinandersetzung mit dem ungarischen Nachbarn notwendig sein; mit einem Nachbarn, der - wie es der frühere ungarische Ministerpräsident Andrės Hegedüs ausdrückte — Angst davor hat, daß die Expo *95 für die Magyaren nichts anderes als Potemkinsche Dörfer bringt; mit einem Nachbarn, der — so Hegedüs weiter — um eine Zusammenarbeit zum Ausgleich der „Gewichtsunterschiede“ zwischen Österreich und Ungarn bittet; der, wie es die neue ungarische politische Kraft, das Forum Ungarischer Demokraten, bei der Enquete dar stellte, momentan um den wirtschaftlichen und geistigen Neubau ringt, eine Identität jenseits der Csikos-Gulyäs-Tou- ristik sucht und dieses nationale Ringen gerne auch in die Expo einbringen möchte.

Die Brücken in die Zukunft werden also nicht nur über den Verkauf, der leicht zum Ausverkauf werden kann, gebaut. Die Expo ‘95 in Wien und Budapest müßte Menschen zum Mittelpunkt machen, sie einladen: Kommt her, um miteinander zu reden! Das müßte für Politiker gelten, für das Gespräch der Geschlechter, der Generationen, der Ersten und Dritten Welt, zwischen Gesunden und Behinderten, zwischen den Religionen.

Die Idee von Österreich-Ungarn als bevorzugter Ort des Dialogs, der Hoffnung gibt, könnte bei der Weltausstellung in knapp sechs Jahren eine Auferstehung erleben.

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