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Gefährliche Keller der Weltpolitik

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Mitunter öffnet sich eine Tür in die Keller der Weltpolitik. Diese Keller sind freilich nicht leere Räume, in denen abgelegtes Gerumpel steht, sondern Schauplätze höchst intensiver Aktivität. Manchmal könnte man den Eindruck haben, daß von dort her Hände sich emporrecken, die fürs Publikum die Puppen in Bewegung setzen.

Nach John Barrons seriösem Werk „KGB heute" (Scherz-Verlag, 1984) erschien kürzlich das wissenschaftlich bemühte Buch „KGB, Die Geschichte seiner Auslandsoperationen von Lenin bis Gorbatschow" von Christopher Andrew und Oleg Gordiewski bei Bertelsmann. Der 958 Seiten dicke Wälzer enthält 157 Seiten Apparat und Quellennachweise. Autor Oleg Gordiewski, ehemaliger „Resident" des KGB in London, war hoher Offizier und genauer Kenner seiner Institution, der 1985 „die Freiheit wählte" und absprang.

Zunächst einmal wird deutlich, daß der sowjetische Geheimdienst seit der „Oprit-schina" Iwan des Schrecklichen über die „Ochrana" Alexander II. eine ausgiebige Tradition hat. Die Gründung der „Tscheka" durch Lenin war ursprünglich als Notbehelf zur „Verteidigung der Revolution" nur für kurze Zeit gedacht, und niemand hatte erwartet, daß sie unter verschiedenen Namen (GPU, NKWD, KGB) diese Bedeutung und Perfektion erreichen würde.

Gerade durch Gorbatschows Glasnost wurde über diese unheimliche Institution in der UdSSR erstmals öffentlich diskutiert, wobei das Sportidol Juri Wlasow erklärte: „Der KGB ist kein Dienst, sondern ein Untergrundimperium. Noch hat er keine Geheimnisse gelüftet, er

hat nur Gräber geöffnet." Unter anderen, und zwar höchst unfreiwillig, das Massengrab von Katyn.

Der Hintergrund zahlreicher weltpolitischer Geschehnisse, wie etwa das Ende des „Prager Frühlings", die Erklärung des Kriegsrechts in Polen durch General Jaruzelski, die Aktivitäten Arafats, auch der Abschuß der südkoreanischen Verkehrs-maschine 1983 wird neu beleuchtet. Auf erschreckende Weise zeigt sich dabei, daß auch die geradezu phantastisch vernetzte Weltorganisation des KGB nicht imstande war, die Moskauer Zentrale an total falschen Interpretationen der Weltlage zu hindern: die Entwicklungen in Ägypten, in Afrika, in Afghanistan und im eigenen Land wurden haarsträubend verkannt.

Der hochkostspielige geheime Apparat, der weder vor Morden, noch jeder anderen denkbaren Brutalität zurückschreckte, trug sehr oft durch die Überfülle seiner Informationen zur Bestärkung ideologischer Vorurteile der Zentrale bei. Paranoide politische Visionen wurden durch die Spionage gestützt statt korrigiert.

„Desinformationen" waren und sind äußerst gefährlich: Oleg Gordiewski weist nach, daß etwa die Meldung, der Aids-Virus sei amerikanischen Genexperimenten entsprungen, durch den KGB in einer indischen Zeitung lanciert Und von der, ,Literaturnaja Gaseta" verstärkt wurde.

Ebenso stammt der Bericht, daß Amerikaner lateinamerikanische Kinder zu Transplantationszwecken ermorden, aus der Küche der Abteilung A des KGB. Wird sich der KGB je ändern?

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