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‚Geheime Veriassungsinterpretation?’

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Ein Staatohne Autorität ist nicht lebensfähig.

Der Satz, hineingestellt In die politische Landschaft einer Parteiendemokratie, deren Wirkkräfte zu unentrinnbaren Knäueln von Abhängigkeiten zwingen, macht erstaunen. Autorität — ein häßliches Wort in einer Zeit antiautoritärer Intellektueller, der Mitbestimmung in Betrieb und) Werkstatt, der Demokratisierung in den Kirchen, ja im antiautoritären Kindergarten. Ein konservatives Wort, ja; eine«, das dem gesellschaftlichen Du-Komment zuwiderläuft und Erinnerungen wachruft. Autorität… Churchill meinte einmal, die sei ihm zuwider, aber die Masse sei eben im Grunde autoritär. Der Staat ohne Autorität — das war schon der Traum der Citoyens in der Constituante, geträumt in der Hoffnung, Gleichheit aller an die Stelle einer Autorität von oben zu setzen. Siėyės, einer der Väter der Menschenreciite von 1789, spracäi das gute Wort: „Autorität ist Vertrauen von unten." Österreichs amtierender Bundespräsident, gleichzeitig Kandidat für die Bundespräsidentenwahl, Franz Jonas,, sieht es anders. Autorität, das ist das Amt — zeitlich begrenzt, natürlich —, aber immerhin die Institution. Von hier aus ziehen die geheimen Fäden, die den Staat halten: Autorität aus dem Amt. Macht durch Ansehen ist nicht länger der gültige Zauberspruch eines Organs der „Vollziehung des Bundes" (so Österreichs Bundesverfassung), Legitimität ergibt sich nicht auf Grund eines freiwilligen Gehorsams — sie ist nach Franz Jonas Ausfluß amtlicher Autorität.

Theodor Eschenburg hat einmal geschrieben, daß die Autorität des Amtes gleichsam ein Vorschußkredit an den Amtsinhaber sed: „Er muß ihn mit Zins und Zinseszins zurückzahlen, um mit seiner persönlichen Autorität die Amtsautorität wirksam zu machen." Dr. h. c. Franz Jonas, Bewerber um eine neue Periode als Bundespräsident, fragt: Wer son«t als der Bundespräsident sollte die Autorität des Staates, des Rechts und 3es Gesetzes verkörpern? österreidis Bundesverfassung soUte Klarheilt verschaffen. Also sehen wir nach. Da nennt das Dritte Hauptstücäc die Grundsätze der Vollziehung des Bundes und der Artikel 65 nennt die Aufgaben des Bundespräsidenten: Vertretung nach außen, Beglaubigungen, Bestellung von Konsuln, Abschluß von Staatsverträgen und so weiter.

Die Aufzählung ist taxativ — und damit meinen Juristen, daß sie vollständig ist, nicht zu ergänzen. Was also ist unter der „Autorität des Rechts" gemeint, die Doktor

Franz Jonas schützen will? Wie? Die Verfassung gibt auch hier Auskunft. Klar, unbestechlich, präzise.

Das Recht läßt sie vom Volk ausgehen, die Wahrung von Verfassung und Gesetzmäßigkeit läßt sie von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof garantieren, für das Zuwiderhapdeln gegen Gesetze gibt es ordentliciie Gerichte. Wir lesn nicäits vom Bundespräsidenten. Er — das gewählte Organ, ist politisch und rechtlich verant-wo:rtlich (so Ermacora) — für das, was ihm die Verfassung zuordnet. Was also meint Franz Jonas, Prä-sidcjnt und Kandidat? Autorität aus der Verfassung? Da nicht. Wo sonst?

Autorität aus der Verwaltung, der Administration, die dem Bimdes-präsidenten obliegt? Man liest bei Jacques Hannak nach, dem Altmeister sozialisti-sc±ier Publizisidk, in seiner Geschichte der SPÖ, und staunt im KaiDdtel über Franz Joseph: „Fast siebzig Jahre hat Franz Joseph in der Hofburg und in Scäiönbrunn, in Mürzsteg und Ischl Akten gelesen, Minister ernannt, Erlässe unterschrieben … der seelenlos korrekte Bürokrat einer Generationen erfüllenden Auflösung… sein Kanzlistengehim haßte die Unordnung und die Scherereien." Ja, das war er, der Franz Joseph in sozialdemokratischen Augen: das Staatsoberhaupt, das auf Autorität sah, der Mann, der Recht, Gesetz verkörperte, Franz Joseph und mit ihm die verhaßten Habsburger.

Audi Franz Jonas empfiehlt für den Staat (Me Autorität, cue er to seinem Amte verkörpert; in der Verfassung nicäit festgelegt, von seinen Amtsvorgängem nicht gleicherweise interpretiert. Stimmt zwar Schönbrunn und Ischl nicht mehr — so gilt doch _ das gleiciie in der Hofburg und in Mürzsteg?

Autorität aus dem Amt. Wahrhaftig ein Thema für eine Doktorarbeit. Eine wahrhaftige Relativitätstheorie des Imaginären, die aucdi mit einem imponierenden Image nicht zu praktizieren ist. Es geht um das Potential der Persönliciikeit.

Wie hieß es doch? „Autorität ist Vertrauen von tmten."

Eben: es fließt nicht aus einer stillschweigenden Geheiminterpretation der Verfassung.

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