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Digital In Arbeit

Leben auf Pump

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Erst sparen, dann kaufen, erst sammeln, dann verteilen, erst arbeiten, darin ruhen, waren goldene Regeln des Lebens unserer Väter- und Großvätergeneration.

Doch was geschieht heute?

Zuerst wird gekauft, dann zwangsweise gespart, um den Kredit zurückzahlen zu können. Erst wird geruht, indem auf Pump Urlaub im Süden gemacht wird, und danach erst auf Raten gezahlt. Zuerst werden auf Staatsschulden Arbeitsplätze geschaffen, und erst später wird man dafür bezahlen: Schulden des einzelnen, der Familie, der Betriebe,

der Gemeinden, der Länder, des Staates.

Schulden über Schulden: Schulden an der Natur, indem wir Raubbau betreiben, Schulden am Wald, den wir jahrzehntelang als kostenlosen Schadstoffilter mißbraucht haben.

Wir haben uns zu sehr vom natürlichen Leben entfernt und verlernt, natürliche Vorratswirtschaft zu betreiben. Im natürlichen Kreislauf wird für morgen, für übermorgen, für den Winter, bis zum kommenden Frühling gespart, aber nicht länger.

Im ökologischen Lebenssystem wird ökonomisch nur das gebraucht und verbraucht, was zum täglichen Leben im Jahreszeitenzyklus lebenserhaltend benötigt wird. Denn die Natur — wie auch das Bankkonto — ist nicht unerschöpflich.

Mir bleibt unvergessen, wie meine damals vier Jahre alte Tochter unbedingt etwas Bestimmtes haben wollte. Ich erklärte ihr, daß wir für den Kauf nicht genug Geld hätten. Darauf gab sie zur Antwort: „Du kannst ja zur Bank gehen und neues holen!“

Das Verhältnis der Kinder zum Geld ist ein Mißverhältnis geworden. Bevor junge Menschen noch gelernt haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, werden sie auch schon zum Schuldenmachen verführt. Werbespots hämmern ihnen ein, ein Jugendkonto zu eröffnen, weil das so viele Vorteile brächte und so bequem sei.

Mit der Bankomat-Karte kann sich heute jedermann als autorisierter Schuldenmacher ausweisen. Früher haben Geldverleiher mit Wucherzinsen Menschen ins Unglück gestürzt. Heute ist daraus ein Schuldenmachersystem der Banken geworden, die Massenverschuldungen organisieren.

Auch der Staat hat mich und meine Kinder in Schulden gestürzt. Auf unsere Kosten hat er Schulden aufgetürmt, Schuldentürme, sichtbare Schuldentürme in Beton. War nicht der Turmbau zu Babel auch so ein Schuldenturm?

Die Politiker, die Schuldenpolitik gemacht haben, sind schuldig geworden, aber auch wir, ich und Du, haben mitgemacht und sind somit auch nicht schuldlos. Aber die Suche nach den Schuldigen ist der falsche Weg. Wir müssen uns ändern, einander helfen, schrittweise von den Schulden wegzukommen und unsere Schuld(en) loszuwerden. Wir müssen entschuldigt werden, schuldenfrei und damit frei von Schuld.

Sparen und Schenken bringt Zinsen, nicht Schulden machen und Kredit geben!

Der Autor ist Raumplaner und Dorferneuerer.

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