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Nach Zwentendorf

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Bisher unbestätigten Gerüchten zufolge plant der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky wieder eine Volksabstimmung: Wie die „Ottakringer Nachrichten“, ein gewöhnlich gut unterrichtetes Blatt, melden, soll wieder über ein heikles Thema abgestimmt werden: Bruno Kreisky will Vorarlberg nicht mehr bei Österreich haben!

„Die Vorarlberger haben sich bei der jüngsten Abstimmung so verhalten, daß ich der Meinung bin: Vorarlberg gehört eigentlich

gar nicht zu Österreich“, erklärte der Kanzler schmollend und dachte an Zwentendorf. Die SPÖ hat in ihrer jüngsten geheimen Sitzung diesem Vorschlag Kreis-kys zugestimmt.

Finanzminister Androsch: „Die Vorarlberger sind wirtschaftlich mit der Schweiz so verbandelt, daß wir von ihnen überhaupt nichts haben. Höchstens Gerichtskosten, wenn's gegen einen maoi-stischen Pornofilm geht.“

Der Wiener Bürgermeister Gratz wies darauf hin, daß die Bühne auf dem Bodensee, wo die „Bregenzer Festspiele“ abgehalten werden, bald einstürzen könnte. „Und so eine Blamage könnte sich Österreich weltweit nicht leisten“, meinte Gratz, den man aus unerklärlichen Gründen mit dem Beinamen „Reichsbrucknpoldi“ schmückt. Der burgenländische Landeshauptmann Kery: „Ich könnte die Vorarlberger nicht in meinem Garten lagern!“

Dazu erklärte Oppositionsführer Taus: „Der Bundeskanzler hat

eine klare Entscheidung immer wieder hinausgezögert und will n,un die Last der Verantwortung auf das österreichische Volk abwälzen. Wir aber verfolgen in unserer geradlinigen Politik eine gerade Linie und sagen wieder: Jein!“

Bürgermeister Götz, der sich weigerte, ein Interview in Wien zu geben, wurde von Journalisten bei einer Burschenschaftlerfeier aufgespürt und erklärte: „Wir haben die Reinrassigkeit der Vorarlberger immer schon in Frage gestellt.“

Im Untergrund arbeitet schon ein Komitee an sogenanntem Informationsmaterial. Auszüge:

• Vorarlberg gefährdet Arbeitsplätze!

• Die Vorarlberger strahlen!

• Ohne Vorarlberg in eine bessere Zukunft!

• Mit Vorarlberg gehen die Lichter aus!

Daher: Ja zu Nein zu Vorarlberg!

Und ist Vorarlberg einmal ein eigener Zwergstaat, klein, arm und verlassen, ohne Kernkraftwerke, ohne Strom, ohne Licht, ohne Atommüll und ohne Arbeitsplätze, dann wird in Österreich über Zwentendorf neuerlich abgestimmt - ohne die Vorarlberger, heißt es.

Die Industriellenvereinigung begrüßt diesen Schritt. Die KPÖ übrigens rät zu einem kritischen JA - denn in der Sowjetunion gibt's auch keine Vorarlberger.

Gekürzt aus dem GrazeY Jugendmagazin „Perplex“, Nummer 1/2 von 1979

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