6867312-1978_08_20.jpg
Digital In Arbeit

Österreichs Bischöfe zur Atomenergie

Werbung
Werbung
Werbung

Da Grundsatzentscheidungen für oder gegen Atomkraftwerke für längere Zeit die Weichen stellen und die gesamte Bevölkerung betreffen, sollten sie nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit, sondern auf Grund von Meinungsbildung auf breitester Basis durch die zuständigen politischen Gremien getroffen werden.

Umfassende Information, die durch die zuständigen Fachleute in wissenschaftlicher Unabhängigkeit besorgt wird, ist dafür unerläßliche Voraussetzung. In der Werbung für oder wider Atomkraftwerke sollte beachtet werden, daß jede verantwortbare Entscheidung in dieser Sache nur auf Grund einer Abwägung der Argumente dafür und dagegen und kaum durch völlige Entkräftung aller Gründe einer Seite Zustandekommen kann (daß also die Entscheidung dafür nur getroffen werden kann, obwohl auch Gründe dagegen sprechen, und ebenso die Entscheidung dagegen, obwohl auch Gründe dafür sprechen); daß man Anhängern einer Entscheidung, die der eigenen widerspricht, nicht die Achtung versagen darf, wenn sie zu ihrer Auffassung auf Grund gewissenhafter Erwägung gekommen sind; daß Gewalt zur sachrichtigen Lösung einer so heiklen Frage ungeeignet ist und daher in der Auseinandersetzung darüber vermieden werden sollte. (österreichische Kommission von Theologen und Fachleuten.)

Sollte sich in der sorgsamen Prüfung ergeben, daß ohne die Nutzung der Kernenergie tatsächlich die lebenswichtige Energieversorgung nicht mehr sichergestellt und dadurch eine schwerwiegende Beeinträchtigung individuellen und gesellschaftlichen Lebens zu befürchten wäre, so ist trotz der Risken eben diese Kernenergienutzung vertretbar, vorausgesetzt, daß höchstmögliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen sind. Sollte sich aber herausstellen, daß die befürchtete Energielücke durch Einsparungen, rationelleren Energieeinsatz, intensivere Nutzung erneuerbarer Energiequellen oder auf sonstige vertretbare Weise vermieden werden kann, ist der Ausbau der Kernenergie mit seinen Risken nicht zu verantworten.

Für die Entwicklung und Ergänzung von Kernenergie gilt das Wort aus der Erklärung der Europäischen Bischofskonferenz „Wort zu Europa“: „Nicht das, was technisch möglich ist, ist anzustreben, nicht das, was den größten Gewinn verspricht, sondern das vor Gott und den kommenden Generationen Verantwortbare.“

Wissenschafter und Techniker müssen sich dessen bewußt sein, wieviel von ihrer wissenschaftlichen Erarbeitung und Verwirklichung für das Zustandekommen sachgerechter und ethisch verantwortbarer Lösungen abhängt. Die Politiker müssen ihre Entscheidung verstärkt im Hinblick auf das zukunftsorientierte Gesamtwohl der Menschen treffen. Die Kirche begrüßt und unterstützt alle Bemühungen, in der Energiediskussion ethischen Wertmaßstäben Geltung zu verschaffen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung