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„Status quo wäre der Tod…“

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Seit 1966 gibt es einen österreichischen Rundfunk, in dem sich — so die Intentionen des Rundfunkgesetzes — die beiden Medien Hörfunk und Fernsehen nicht mehr konkurrenzieren sollen, wie dies — insbesondere aus parteipolitischen Gründen — vorher der Fall war. Aber auch die Reform des ORF kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Fernsehen unaufhaltsam an nationaler Bedeutung zunimmt und der Hörfunk ein Schattendasein zu fristen scheint. Zwischen Jahresende 1960 und 1970 stieg die Zahl der Hörfunkteilnehmer fast nicht, die der Fernseher erhöhte sich um nahezu 800 Prozent.

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Seit 1966 gibt es einen österreichischen Rundfunk, in dem sich — so die Intentionen des Rundfunkgesetzes — die beiden Medien Hörfunk und Fernsehen nicht mehr konkurrenzieren sollen, wie dies — insbesondere aus parteipolitischen Gründen — vorher der Fall war. Aber auch die Reform des ORF kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Fernsehen unaufhaltsam an nationaler Bedeutung zunimmt und der Hörfunk ein Schattendasein zu fristen scheint. Zwischen Jahresende 1960 und 1970 stieg die Zahl der Hörfunkteilnehmer fast nicht, die der Fernseher erhöhte sich um nahezu 800 Prozent.

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FURCHE: Untersuchungen, vor allem die österreichische Media- Analyse, ergeben, daß der Hörfunk schon fast tot ist.

HÄRTNER: Es ist richtig, daß der Hörfunk an Bedeutung verliert, aber nur in einem ganz bestimmten Zeitraum innerhalb von 24 Stunden, nämlich in dem Zeitraum, in dem das Fernsehen sendet. Die Bedeutung des Hörfunks besonders tagsüber ist nach wie vor gegeben. Ich möchte midi sogar zu der Behauptung versteigern, daß hier eine Frequenzzunahme vorhanden ist Zur Zeit beginnt wieder eine Meinungs- forsčhungswelie, die diese Annahme, so hoffen wir, bestätigen wird.

FURCHE: Die Nachrichten sendungen des Fernsehens verzeichnen aber doch eine ungleich höhere Seherdichte …

HÄRTNER: Die Kurznachrichtendienste des Hörfunks in den Morgenstunden kommen, nimmt man alle drei Hörfunkprogramme zusammen, auf eine höhere Dichte. Zwischen 5 und 8 Uhr früh sind insgesamt vier Nachrichtendienste und ein Journal; hier ist der Hörfunk konkurrenzlos. Natürlich hat „Zeit im Bild“ eine große Seherzahl, aber viele Meldungen der Hörfunkberichterstattung werden hier noch einmal in bildhafter Form interpretiert. Die . Stärke des Hörfunks in seiner Berichterstattung wird immer die sein, daß er auf Grund der Natur des Mediums rascher und authentischer berichten kann. Es ist leicht, eine Telephonleitung ins Ausland zu bewerkstelligen, es dauert aber eine gewisse Zeit, bis ein Bildträger nach Österreich gebracht wird.

FURCHE: Abgesehen von Nachrichtensendungen verlagert sich der Schwerpunkt des Hörfunks aber doch immer mehr zur Musikberieselung.

HÄRTNER: ö 3, das auch in deutschen Randgebieten stark gehört wird, benötigt vielfach nur sekundäres Zuhören. Daneben sind gewisse Momente bewußt hineingesetet, die primäres Hören verlangen.

FURCHE: Gibt es ein Konzept zur Kontrastierung Hörfunk — Fernsehen?

HÄRTNER: Unsere ganze Programmüberlegung ist darauf auf gebaut, ein nach allen Gattungen und Riditungen unterschiedliches Programmangebot zu bieten. Bei genauer Beobachtung der Abendprogramme wird erkennbar, daß es keine Programmidentitäten gibt.

FURCHE: Sie messen dem Hörfunk einen Raum zu, der es ihm ermöglicht, sich des Fernsehens zu erwehren? •’T nsb snuisbnäiel HÄRTNER: Nicht zu erwehren, sondern aus Hörfunk und Fernsehen zu einer Synthese zu kommen. Wir haben 1967 begonnen — als erste übrigens in Europa — Strukturprogramme einzuführen. ö 1 als ein wissenschaftlich- künstlerisch hochstehendes Programm, ö Regional als ein unterhaltendes, leichtes Programm, und ö 3 als ein Spezialprogramm. FURCHE: Sind Sie der Meinung, man könne dadurch jene Entwicklung, wie sie Amerika aufzuweisen hat, daß nämlich das Fernsehen einfach dominiert und der Hörfunk ein Schattendasein fristet, abfangen?

HÄRTNER: Der Trend in den Vereinigten Staaten hat sich umgekehrt. Seit eineinhalb Jahren nimmt die Konsumation der Hörfunkprogramme sehr zu. Die Werbewirtschaft berichtet, daß Werbeaufträge wieder in den Hörfunk hineingehen. Und die Werbewirtschaft ist sicher kein Zweig, der mit dem Geld leichtsinnig umgeht.

FURCHE: Sie hoffen, eine Zwischenphase zu überspringen? HÄRTNER: Ja, vielleicht gelingt uns das.

FURCHE: Zwischen Rundfunk und Fernsehen kann es — bei genau abgesteckten Interessensphären — also eine friedliche Koexistenz geben?

HÄRTNER: Eine Prognamm- synthese. Ein gegenseitiges Ergänzen unter besonderer Be- dachtnahme auf die spezifischen technischen Möglichkeiten der einzelnen Medien. Die Hörerzahl hat sich bei 2 Millionen eingepen- delt und steht dort seit Jahren. Ich bin aber der Meinung, daß nur eine permanente Mobilität dem Hörfunk eine Zukunft gibt. Ein Festhalten am Status quo wäre der Tod des Hörfunks. Wir müssen uns immer weiter bemühen, neue Gebiete entdecken und sie ausformen.

Mit Dr. Alfred Härtner sprach FURCHE-Redaktionsmitglied Franz F. Wolf.

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