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Universalist
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) darf auch am Ende des 20. Jahrhunderts noch als eine der herausragenden Gestalten der abendländischen Geschichte gelten.
Der britische, in Manchester lehrende Mathematiker Eric J. Aiton veröffentlichte bereits 1985 diese Biographie. Es ist eine fundiert recherchierte, quellenkritisch erarbeitete und noch dazu gut lesbare Geschichte eines Lebens.
Wie bei großen Biographien nicht anders denkbar, versteht es der Autor meisterhaft, das jeweilige „Lokalkolorit" des Weitgereisten in farbigen und detailgetreuen Bildern zu zeichnen - ob es sich um Berlin und Wien im frühen 18., Hannover und Paris im 17. Jahrhundert handelt - überall scheint der Autor mit dem, dessen Leben er beschreibt, in gleicher Weise Fuß zu fassen.
Da Aiton von Haus aus Mathematiker ist, stehen in der Beschreibung der Werke, der Entdeckungen und Erfindungen Leibniz' auch diese, im Vordergrund. Dabei werden Zusammenhänge mit seiner Philosophie und Theologie sichtbar, die von seiten der exakten Wissenschaften selten so betrachtet werden. Nahezu einem Indizienverfahren gleich beschreibt Aiton etwa die Erfindung der Infinitesimalrechnung, aber auch Leibnizens Bemühungen um die Gründung von Akademien der Wissenschaften in Berlin, Dresden und in den letzten Lebensjahren in Wien, wo ihm der Titel „Reichshofrat" verliehen wurde.
Besonders tiefe Einblicke in die Psyche dieses Mannes von Welt, der das Renaissanceideal des „Homo universalis" verkörperte und zugleich das Zeitalter der Aufklärung einleitete, gewährt die Verwendung der vollständigen Korrespondenz.
Zusammenfassend muß betont werden, daß Aiton hier der Typ einer „wissenschaftlichen Biographie" gelungen ist, der alles miteinbezieht, was zum Biographischen gehört und gleichzeitig den wissenschaftlichen Werdegang vorbildlich nachzuzeichnen imstande ist. Gegenüber dem naturwissenschaftlichen kommt der geisteswissenschaftliche Aspekt etwas zu kurz - was aber das Werk im gesamten nicht entwertet.
GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ. Von Eric J. Aiton. Aus dem Englischen übertragen von Christiana Goldmann und Christa Krüger. Insel Verlag, Frankfurt/Main 1991. 533 Seiten, öS 608,40.
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