Rot-weiß-rotes Türschild mitten in Jerusalem

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BWer auf Sand baut, ist dumm, wer auf Stein baut, ist klug, sagt die Bibel. Und wer an der Adresse Via Dolorosa Nr. 37 baut, ist Österreicher, sagen Geschichte und Gegenwart. Das sprichwörtliche "Tu felix Austria " passt angesichts dieser Top-Location perfekt. "Man tritt vor die Tür und steht auf der Via Dolorosa, das ist einzigartig", beschrieb Georg Habsburg-Lothringen, Präsident der Gesellschaft vom Heiligen Land, unlängst bei der Präsentation eines Pilgerführers das Gefühl, das speziell Österreicherinnen und Österreicher an der Pforte des "Österreichischen Pilgerhospiz zur Heiligen Familie in Jerusalem" überkommt. Dahinter steckt Verwunderung und Stolz zugleich, dass an einem derart zentralen Ort der Jesus-Überlieferung "rot-weiß-rot" am Türschild klebt. Ein weiterer Vorteil dieser Dependance ist, dass sich mit dem Durchschreiten der Hospiztür die Gelegenheit eröffnet, aus Jerusalems weltlichem wie religiösem Trubel ins österreichische Leo zu entfliehen. Der Apfelstrudel im Hospiz-Café und die Aussicht von der Dachterrasse tragen dann das Übrige dazu bei, dass sich Besucher wie daheim fühlen.

Geist der Verständigung

Da ist es der Staatssekretärin Karoline Edtstadler bei ihrem ersten Besuch im Hospiz vor wenigen Wochen nicht anders ergangen als dem Kaiser-Nachfahren, der das Haus familiär bedingt Zeit seines Lebens kennt. Edtstadler nannte bei der Pilgerbuch-Präsentation in Wien das Hospiz einen "Höhepunkt meines Jerusalem-Aufenthalts". Der Ort ist für sie ein "Stück Heimat in Israel". Diese "Sichtbarkeit Österreichs" wird auch von der Bundesregierung gewürdigt. Sie unterstützt die Baukosten eines Zubaus, der Anfang 2019 auf dem Hospiz-Gelände eröffnet wird, mit 675.000 Euro. Die Gesamtkosten der "Casa Austria" betragen 3,4 Millionen Euro. Mit Hilfe vieler Spender konnte das Hospiz 800.000 Euro aufbringen, 1,35 Millionen Euro steuern die Diözesen bei. Die Bundesländer fördern den Bau mit 675.000 Euro. Damit kann das bisher 32 Gästezimmer anbietende Hospiz um zwölf Wohneinheiten erweitert werden. Die Pläne für den Zubau stammen von einem israelischen Architekten, gebaut wird von einem palästinensischen Bauunternehmen. Insofern folgte dieses Bauprojekt dem generell von der Hospiz-Leitung gepflegten Geist der Verständigung.

Dass noch ein anderer Geist im Rahmen dieses Bauprojekts zum Zuge kommen musste, betonte Habsburg-Lothringen: "Jerusalem ist die Stadt der Wunder!" Und in diese Kategorie reihte er auch die Verwirklichung des Zubaus: "Ich glaube, viele sind sich nicht bewusst, was es heißt, eine Baugenehmigung in der Altstadt von Jerusalem zu bekommen."

Derjenige, der diese Herausforderung aus eigener Erfahrung bestens kennt -und sie meistern konnte -, ist Markus Bugnyar, der Rektor des Hospizʼ. Als Autor des Jerusalem-und Heiligen-Land-Pilgerführers "Als die Sonne aufging" (Be&Be-Verlag, Heiligenkreuz 2018) stand er im Mittelpunkt der Buchpräsentation, bei der neben Staatssekretärin und Kaiserenkel der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics sowie weitere Honoratioren und jede Menge Publikum in Hospiz-Erinnerungen schwelgten und dem Rektor für sein praktisches wie seelsorgerisches Management dankten. Bischof Zsifkovics: "Es ist unser gemeinsames Haus, es ist unsere gemeinsame Geschichte, es ist ein Brückenkopf."

Weniger strategisch-martialisch ausgedrückt, dafür angelehnt an den Untertitel des spirituellen Reiseführers von Rektor Bugnyar, "Mit Jesus unterwegs zum Leben", kann man das Haus als Anlaufstelle und sicheren Hafen für Heilig-Land-Pilger vieler Provenienz bezeichnen. Das zeigt sich nicht zuletzt an der beeindruckenden Zahl von jährlich rund 80.000 Gästen aus Österreich und aller Welt. Tendenz steigend, lautet die Prognose des Rektors, wobei in Jerusalem, Israel und dieser Region solche Voraussagen aufgrund der dort besonders schnellen wie unsicheren Politik-Zeitläufte riskant sind. Die mit viel Networking des um die "orientalischen Mentalitäten" wissenden Rektors zuwege gebrachte "Casa Austria" ist in jedem Fall eine gute Investition. Das neue Haus nimmt auf die veränderten Pilger-Reisegewohnheiten Rücksicht und ermöglicht dem Hospiz, künftig mehr Einzel-statt Mehrbettzimmer anzubieten.

Waisenhaus und Lazarett

So wie er seinen Pilgerführer als spirituelle Handreichung versteht, ist Bugnyars Prioritätenliste auch als Hospiz-Rektor geistlich dominiert: "Ich bin nicht Pfarrer geworden, um Hoteldirektor zu spielen", sagte er und auch das Hospiz "muss mehr sein als eine Herberge. Unser Haus hat einen geistlichen Auftrag, der mir wichtig ist". Mit 28 Angestellten, die Mehrheit christliche Palästinenser, übernimmt das Hospiz soziale Verantwortung. Das gleiche gilt für die Unterstützung bedürftiger Familien in der vom Hospiz betreuten Pfarre in Gaza-Stadt. Mit Konzerten, Ausstellungen und Vorträgen ist das Haus weiters ein kultureller Treffpunkt, eine gern genutzte Stätte für Dialog und Begegnung sowie Einsatzort für Zivildiener aus Österreich.

Dass mit der Einweihung der "Casa Austria" die bereits zur Eröffnung im Jahr 1863 vorgesehene Gastzimmer-Kapazität erreicht wird, verweist auf die lange Tradition dieses ältesten nationalen Pilgerhauses in Israel. Kaiser Franz Joseph besuchte das Hospiz 1869 im Rahmen seiner Reise zur Eröffnung des Suezkanals. Im Ersten Weltkrieg und wieder 1939 konfiszierten die Briten das Gebäude. Zuerst wurde es ein Waisenhaus, später Lazarett und Krankenhaus. 1985 gab der Staat Israel das Hospiz an seinen ursprünglichen Eigentümer zurück. Heute ist das Hospiz eine Stiftung der katholischen Kirche in Österreich mit dem Wiener Erzbischof als Protektor. Kardinal Christoph Schönborn als Hospiz-Kurator zur Seite steht Wilhelm Kraetschmer. Gemäß seinem Titel "Kurator" trägt er "Sorge um die gedeihliche Entwicklung des Hauses". Die finanzielle Last des Zubaus konnte letztlich nur gehoben werden, sagte Kraetschmer zur FURCHE, "weil sehr viele Österreicher gespendet haben, die im Hospiz wohnten und von dieser Pilgerstätte in der Mitte des Kreuzungspunktes des Glaubens fasziniert waren". Für Kraetschmer ist außerdem wichtig, dass der Hospiz-Zubau ein Signal sendet, "dass wir investieren, weil wir für diese Stadt, für diese Region eine Zukunft sehen". Kraetschmer: "Wer baut, hat ein Fenster in die Zukunft." Und ein rot-weiß-rotes Türschild mitten in Jerusalem.

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