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Der Gasthausstreit

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Seit einer Woche werden keine Patienten mehr aufgenommen. Ab nächsten Donnerstag soll eine Erste-Hilfe-Station ihren Betrieb aufnehmen. In Jerusalems Via Dolorosa geht ein Provisorium nach 18 Jahren, ein Unrechtszustand nach 46 Jahren zu Ende — auch wenn die Emotionen hochgespielt werden.

Das österreichische Hospiz, 1855 vom Kaiser als gastliches Haus zur Betreuung österreichischer Pilger im Heiligen Land errichtet, ,1939 von den Briten besetzt, 1948 von den Jordaniern zum Armeespital umfunktioniert, soll dem Eigentümer, der Kirche von Österreich, zurückgegeben werden. Lediglich im Erdgeschoß bleibt ein Teil der Räume als Tagesklinik der medizinischen Versorgung erhalten.

Eine unmenschliche Aktion, die bezwecke, die Qualen und das Leid des palästinensischen Volks weiter zu verstärken und ihm das Leben in den besetzten Gebieten unmöglich zu machen, wie eine Aussendung der PLO behauptete?

„Ich war betroffen!” sagte Israels Botschafter Michael Elizur zur FURCHE, daß ausgerechnet der frühere Außenminister Erwin Lanc „Österreichs Ruf in der arabischen Welt gefährdet” sah und sich einem Personenkomitee anschloß, das gegen die Schließung des Spitals im Hospiz protestierte. Denn die Bemühungen der österreichischen Eigentümer um die Rückgabe laufen seit Jahrzehnten — jetzt, wo Israel ihnen entspricht, wird protestiert.

Die - laut PLO-Aussendung -„immense Bedeutung” des Spitals für die palästinensische Bevölkerung wird schon dadurch in Frage gestellt, daß das Gebäude seit mehr als 20 Jahren baufällig ist. Die Jordanier bauten deswegen ein neues Spital im Osten der Stadt — bevor es noch bezogen werden konnte, wurde der Rohbau nach dem Sechs-Tage-Krieg von den Israelis zur Polizeidirektion umfunktioniert. So blieben die 46 Betten weiterhin belegt, unter bald unzumutbaren Zuständen.

Der Botschafter weist den Vorwurf, daß nun gerade die Ärmsten der Armen keine Spitalsaufnahme mehr finden würden, glatt zurück.

Erstens, zählt Elizur auf, arbeiten in (fast) allen jüdischen Spitälern arabische Ärzte und Schwestern, weil es zu wenig jüdisches Personal gibt. Und in (fast) allen jüdischen Spitälern werden selbstverständlich auch Araber aufgenommen (und wollen auch selbst dort aufgenommen werden).

Zweitens gibt es im Gebiet von Groß-Jerusalem - für eine nichtjüdische Bevölkerung von rund 100.000 Menschen - fünf öffentliche Krankenhäuser nichtjüdischer Träger — einer von ihnen ist der (arabische) Rote Halbmond — mit zusammen 410 Betten.

Sie alle nehmen Patienten auf Kosten der Krankenkassen auf -und im Staat Israel ist die Bevölkerung, auch die arabische, zu 99 Prozent sozialversichert.

Der Bedarf wäre also gedeckt, meint Botschafter Elizur, auch ohne die Hospiz-Betten. Trotzdem habe der Gesundheitsminister — noch unter der Rechtsregierung - schon vor Jahren zugesagt, ein Spitalsprojekt eines arabischen Trägervereins zu genehmigen, wenn dieser ein geeignetes Bauareal bereitstellen könne. Die bisher vorgelegten Vorschläge seien jedoch jeweils in Parks oder Verkehrsbereichen gelegen und mußten von der Stadtverwaltung zurückgewiesen werden, nicht anders als ähnliche Wünsche jüdischer Antragsteller.

Ob die Finanzierung dieses Projektes — angeblich liegen Zusicherungen arabischer Staaten in der Golfregion vor — tatsächlich schon gesichert ist, darüber äußert sich der Botschafter skeptisch.

Den Ausgangspunkt der Proteste vermutet Elizur unter jenen arabischen Ärzten im Hospiz-Spital, die - wie das ganze Personal — vom israelischen Gesundheitsdienst bezahlt werden, aber daneben noch ihre von der jordanischen Regierung festgesetzten Gehälter beziehen. Für die PLO, für die Arabische Liga biete der „Fall” eine Gelegenheit, auf Israel loszuschlagen...

Bei den allein zuständigen kirchlichen Stellen in Österreich bemüht man sich, die Emotionen zu dämpfen. Kardinal Franz König ist Präsident des Kuratoriums des Hospizes. „Aus seiner Umgebung” meldete die „Kathpress”, das Hospiz solle wieder seiner ursprünglichen Bestimmung als Pilgerhaus und Begegnungsstätte zugeführt werden.

Die Kirche wolle nach ihren Möglichkeiten zur modernen und sinnvollen gesundheitlichen Versorgung der ärmsten Bevölkerungsschichten Ostjerusalems beitragen, hieß es weiter, um einen „Beitrag zur Versöhnung” zu leisten. Deswegen hat man schon vor einiger Zeit selbst angeboten, eine Tagesklinik im Areal des Hospizes einzurichten.

Und Pater Manfred Kniewasser OP, neuer Vizerektor des Hospizes, versichert dezidiert, Vermutungen über einen Konflikt zwischen der Kirche von Österreich und der israelischen Regierung wegen des Hospizes seien völlig aus der Luft gegriffen.

So müßte es doch möglich sein, gemeinsam das vordringliche Ziel, die Versorgung der arabischen Bevölkerung, sicherzustellen. Wilde Protestaktionen bis zum Weltsicherheitsrat können diese Bemühungen nur behindern.

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