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Die Hpspizbewegung hat auch Österreich erreicht

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Sie dürfen nach Hause gehen!“ hatte der Arzt Frau M. gesagt. Dennoch, irgendwie ist sie nicht ganz glücklich darüber. Noch vor kurzem waren ständig ein Arzt oder eine Schwester um sie, seit einigen Tagen sieht sie die Schwester nur mehr zu den Mahlzeiten. Auch schwingt bei der Freude ihrer Familie über ihr Heimkommen immer etwas mit? Ist sie nun wirklich gesund, oder...?

Frau M. hat Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium. „Nehmen Sie sie nach Hause“, hatte der Arzt zu Herrn M. gesagt und mit einem hilflosen Achselzucken „Da können wir leider nichtsmehrmachen“.

Die Sozialarbeiterin Cecily Saun-ders begegnete 1947 im Achway Hospital in London ebenfalls ei-

nem jungen Menschen mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Es war ein Jude namens David Tasma, der aus dem Warschauer Ghetto nach London entkommen war. Cecily wurde Zeugin der furchtbaren Schmerzen, die David in dieser Phase seiner Krankheit zu erleiden hatte, und stand ihm bei in seinen qualvollen Ängsten. In den Gesprächen reifte in beiden die Idee, ein Heim für unheilbar Kranke zu errichten. Für dieses Haus vermachte David Cecily seine Ersparnisse von 500 Pfund als „Grundkapital“.

Erst 1967 konnte Cecily Saun-ders, sie war inzwischen Ärztin geworden, ihre Idee mit der Eröffnung des St. Christopher's Hospice verwirklichen. In diesem Haus sollte unheilbar kranken Menschen ein Leben in höchstmöglicher Lebensqualität und dann, wenn die Zeit zum Sterben gekommen ist, ein würdevoller Tod ermöglicht werden. Als gläubige Christin nannte sie ihre Gründung Hospiz. Sie dachte dabei einerseits an die im 4. Jahrhundert von der Kirche gegründeten Hospitäler, in denen chronisch kranken und altersschwachen Menschen eine menschenwürdige Pflege zuteil wurde, andererseits an die Hospize, die die Mönche als Raststätten für Durchreisende errichteten.

Mittlerweile gibt es Hospize auf der ganzen Welt, allein in England 125 und in den USA 1.700. Darüber hinaus hat man sogenannte Home Care Teams gebildet, die unheilbar Kranke zu Hause in ihren Wohnungen betreuen.

Nach rund dreij ähriger Vorarbeit einer Arbeitsgruppe um Schwester Hildegard Teuschl CS konnte im September dieses Jahres auch in Wien ein „Hospiz-Team“ seine Arbeit aufnehmen. Es ist dies eine Initiative der Caritas socialis und der Caritas der Erzdiözese Wien, die auch die Trägerschaft übernommen hat. Dieses Team hat leider kein Haus (es hofft aber eines im Laufe der nächsten Jahre zu bekommen). Es betreut unheilbar kranke Krebspatienten im Geist der Hospizbewegung in den Wohnungen der Patienten. Die Betreuung erfolgt kostenlos auf Basis freiwilliger Spenden.

Ein erster Schwerpunkt des Hospizgedankens ist die in den Hospizen entwickelte Schmerztherapie. Gerade Krebspatienten in der Endphase leiden häufig an qualvollen Schmerzen. Diese Schmerzen kann man mit einer wäßrigen Lösung von Morphin, die der Patient alle vier Stunden zu sich nimmt, aufheben. Der Patient wird bei dieser Anwendungsform weder süchtig, noch wird sein Sterbeprozeß beschleunigt. Er bleibt dagegen wach, kommunikationsfähig und schmerzfrei. Erst dadurch wird er fähig, seine letzte Zeit bewußt und intensiv zu leben.

Dort, wo das Morphin nicht ausreicht, gibt es mittlerweile eine

Reihe zusätzlicher palliativer (lindernder) Therapien. Mit diesen Möglichkeiten kann man bis zu 92 Prozent aller Patienten von ihren Schmerzen in der letzten Lebensphase befreien. Selbst für die restlichen acht lassen sich die Schmerzen erträglich gestalten.

Im Wiener Hospiz-Team arbeiten eigens in Schmerztherapie aus-

gebildete Krankenschwestern und Ärzte. Sie wollen dabei mit allen anderen sozialen Diensten (wie Heimhilfen, mobile Schwestern,...) zusammenarbeiten. Vor allem wollen sie die Zusammenarbeit mit den Praktischen Ärzten, die sie gerade in der Medikation beraten können.

Ein weiterer Grundsatz im Geist der Hospizbewegung ist die Über-

zeugung, daß der leidende Mensch mit seinen psychosozialen und spirituellen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht. Ärzte, Schwestern, Psychologen, Theologen und eine Reihe freiwilliger Mitarbeiter stehen für Gespräche und viele andere Dienste bereit. Sie wollen die Patienten in ihrer Angst nicht allein lassen und mithelfen, die letzte Phase ihres Lebens so schön wie möglich zu gestalten.

Das Wiener Hospiz-Team ist als Dienst der Caritas eine Einrichtung der katholischen Kirche. Dennoch bietet es seine Hilf e jedem Menschen, ganz gleich welcher Überzeugung und welcher Religion, an. Da im Mittelpunkt der Betreuung der leidende Mensch steht, bestimmt der Patient, ob und wann über Religion gesprochen wird. Wenn-der Patient eine religiöse Betreuung möchte, wird sich das Hospiz-Team um einen Begleiter aus der Religionsgemeinschaft des Patienten sorgen.

Die Frage der Wahrheit steht im

Zentrum der Betreuung Sterbender. Die Erfahrung lehrt, daß Sterbende viel früher als Ärzte, Pflegepersonal oder die Angehörigen wissen, wie es um sie steht. Sie drücken ihre Empfindungen meist in Zeichen und Signalen aus, auf die es sensibel zu achten gilt; wenn eine Mutter plötzlich ihren liebsten Schmuck der Tochter schenkt, wenn ein Mann nur mehr diesen einen Geburtstag feiern möchte,...

Die Wahrheit sagen heißt dabei nicht irgendwelche Prognosen abgeben („ Sie haben noch so und so lange zu leben ...“), auch nicht einfach die Diagnose und fachwissenschaftliches Wissen weitergeben. Wahrhaftig mit dem leidenden Menschen sein heißt für die Mitarbeiter des Hospiz-Teams, die leisen Signale der leidenden Menschen so weit als möglich wahrzunehmen, ihre Ängste ernst zu nehmen, einfach da zu sein und sie liebevoll und mitfühlend zu begleiten.

Das Hospizkonzept schließt die Betreuung der Familien von Schwerkranken mit ein. Gerade die Familien sind durch die Pflege ihres kranken Mitgliedes großen

physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Sehr oft wissen zwar alle um den Zustand des Kranken, aber der Kranke will seine Familie schonen und die Familie will die Wahrheit dem Kranken ersparen. So bleibt jeder in seiner Angst mit sich allein

Die Aufgabedes Hospizmitarbeiters ist hier zunächst einmal als Katalysator für das Gespräch innerhalb der Familie zu sorgen. Diese Betreuung schließt ebenso einfache

Dienste, wie einmal Einkaufen gehen, oder auf die Kinder aufpassen, ... mit ein. Auch wird diese Begleitung nach dem Tod des Patienten in der „Trauerzeit“ fortge-, setzt.

Das Wiener Hospiz-Team ist sehr klein und hat keinerlei Subventionen, sondern lebt allein von Spenden. Es möchte aber dennoch nicht bloß der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein sein, sondern als Vorbild wirken. Die Hoffnung ist groß, daß sich immer mehr Menschen bemühen, den Schwerkranken in ihrer Umgebung ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen.

Der Autor ist Theologe und Projektkoordinator des Hospiz-Teams.

Die Adresse des Hospiz-Teams lautet: Pramergasse 14,1090 Wien Telefon: (0222) 310 36 10

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