Assistierter Suizid - © Foto: iStock/KatarzynaBialasiewicz (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Suizidbeihilfe: Privatisierung des "Sterbens in Würde"

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Nach der Aufhebung des ausnahmslosen Verbots von Suizidbeihilfe durch den Verfassungsgerichtshof sind bis Ende 2021 neue Regelungen nötig. Was ist nun nötig? Überlegungen aus katholisch-theologischer Sicht.

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Nach der Aufhebung des ausnahmslosen Verbots von Suizidbeihilfe durch den Verfassungsgerichtshof sind bis Ende 2021 neue Regelungen nötig. Was ist nun nötig? Überlegungen aus katholisch-theologischer Sicht.

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Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden: Ein ausnahmsloses Verbot der ­Suizidbeihilfe widerspricht dem Grundrecht auf Selbstbestimmung. Wenig überraschend angesichts der Veränderungen gesellschaftlicher Werthaltungen. In der Urteilsbegründung wird das Lebensgefühl vieler Menschen zutreffend beschrieben: „Zur freien Selbstbestimmung gehört zunächst die Entscheidung des Einzelnen, wie er sein Leben gestaltet und führt. Zur freien Selbstbestimmung gehört aber auch die Entscheidung, ob und aus welchen Gründen ein Einzelner sein Leben in Würde beenden will. All dies hängt von den Überzeugungen und Vorstellungen jedes Einzelnen ab und liegt in seiner Autonomie.“

Wo Wertvorstellungen weit auseinandergehen, bleibt dem Gesetzgeber wenig übrig, als sich mit Eingriffen in die persönliche Lebensführung zurückzuhalten. Das Autonomie-Argument wird regelmäßig aufgeboten, wo die Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, sich auf gemeinsame, menschlich sinnvolle und vernünftige Grenzen zu einigen. Mit der Legalisierung der Suizidbeihilfe wird ein weiteres Stück Moral privatisiert. Der Kontrast zur Tradition der katholischen Kirche ist überdeutlich.

Grobe Fehlentwicklungen vermeiden

Im Gesetzgebungsprozess muss nun vorgesorgt werden, um grobe Fehlentwicklungen zu vermeiden: Wie das zentrale Autonomie-Argument verwendet wird, ist kritisch zu hinterfragen. Ein individualistisch verengtes Verständnis von Autonomie, in dem es nur um das Recht geht, an der Umsetzung der eigenen Überzeugungen nicht gehindert zu werden, wird gerade in Grenzsituationen der Realität des Lebens nicht gerecht (vgl. die Stellungnahme der "Arbeitsgemeinschaft für Moraltheologie Österreich). Dagegen sind die ethischen Fragen in einer Weise zu diskutieren, die die konstitutive soziale Bezogenheit und Angewiesenheit des Menschen ernst nimmt.

Es muss darum gehen, Selbstbestimmung verlässlich zu gewährleisten – und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch lebenspraktisch in der konkreten Begleitung und Versorgung von sterbenden Menschen und im komplexen Beziehungsgefüge von Sterbendem, Angehörigen, Pflegekräften und Ärzt(inn)en. Wenn ein verzweifelter Mensch angesichts eines ausweglosen Krankheitsverlaufes am Ende seiner Kräfte auf das angewiesen ist, was ihm andere als Unterstützung oder Ausweg anbieten, kann freie Selbstbestimmung schnell zur abstrakten Illusion werden. Es wird schwierig sein, freie Selbstbestimmung von sozialen und ökonomischen Beeinflussungen abzugrenzen.

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