Suizidbeihife: Spielraum für die Barmherzigkeit

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Man wird darauf hinweisen müssen, dass assistierter Suizid nicht zum Angebot christlicher Einrichtungen gehört. Dennoch zählt am Ende der Blick auf den leidenden Menschen. Ein Gastkommentar.

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Man wird darauf hinweisen müssen, dass assistierter Suizid nicht zum Angebot christlicher Einrichtungen gehört. Dennoch zählt am Ende der Blick auf den leidenden Menschen. Ein Gastkommentar.

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„Erleichterung“ ist das erste Gefühl, das sich aus der Perspektive christlicher Ethik angesichts der Lektüre der Gesetzesvorlage zur Neuregelung der Suizidassistenz einstellen kann. Im Zentrum des neuen Sterbeverfügungsgesetzes steht die Selbstbestimmung, doch wird sie kein unbeschränktes Anspruchsrecht auf assistierten Suizid für alle begründen. Die neue Gesetzesvorlage mit ihren zahlreichen Bedingungen hat eindeutig die Schutzpflicht des Staates für leidende und sterbende Menschen im Blick. Deren Selbstbestimmung wird durch die Selbstbestimmung all derjenigen begrenzt, die um Assistenz gebeten werden, auch als Angehörige des medizinischen oder pflegenden Personals. Fürs erste sieht es jedenfalls nicht danach aus, als ob der österreichische Gesetzgeber eine Ausweitung der Liberalisierung in Richtung der „Tötung auf Verlangen“ plane.

Zunahme von „Bilanzsuiziden“?

Wachsamkeit ist dennoch geboten, und der Teufel liegt wie stets im Detail: Was genau ist eine „schwere dauerhafte Krankheit mit anhaltenden Symptomen“, die Leidenszustände verursacht, welche nur durch Beihilfe zum Suizid beseitigt werden können? Empfinden Menschen mit einer schweren Beeinträchtigung oder psychisch Kranke die Option Suizid als lang ersehnten Ausweg aus einer unerträglich gewordenen Situation oder interpretieren sie ihn als eine Art gesellschaftlichen Wink mit dem Zaunpfahl, als „hoffnungsloser Fall“ nun doch endlich über assistierten Suizid nachzudenken? Gerade psychisch Kranke reagieren äußerst sensibel auf soziale Stigmatisierung, denn sie ist ihnen nur allzu vertraut. Zwar sind sie den internationalen Statistiken zufolge in den wenigsten Fällen entscheidungsfähig, frei und selbstbestimmt, doch gibt es eben auch Betroffene, die den Entschluss zum Suizid langfristig aufrechterhalten und ihre Entscheidung nicht aus einem verzweifelten Affekt heraus treffen. Es ist anzunehmen, dass sich die Zahl dieser „Bilanzsuizide“ durch eine liberalisierte Gesetzgebung in Zukunft erhöhen wird.

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