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Österreich im Heiligen Land

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Die heilige Stadt Nazareth liegt wie ein Vogelnest hoch in den Bergen Galiläas. Seit der Kreuzfahrerzeit ist die Stadt vorwiegend von Christen bewohnt, was den „unorientalisch“ italienischen Eindruck des Stadtbildes erklären mag. Die Hauptstraße vom Mittelmeer zum See Genezareth und (früher) nach Damaskus führt quer durch Nazareth. Zahlreiche ausländische Institutionen erhalten Klöster, Schulen, Spitäler und Hospize in der altehrwürdigen Stadt. Ihre Fahnen flattern bunt im frischen Bergwind.

Der Oesterreicher mag sich vergessen fühlen, bis er den östlichen Stadtrand erreicht. Hier weist ein kleines Schild den steilen Weg zum Oesterreichischen Hospiz der Barmherzigen Brüder. Das Hospiz steht auf einer Terrasse im Berghang. Bruder Isfried, der Subprior, hat '“ngst den keuchenden Wagen gehört und begrüßt die Besucher mit echt oberösterreichischer Herzlichkeit. Wenn sich unter den Gästen Lands-leute befinden, hat seine Freude keine Grenzen.

Das Nazarether Hospiz, vor dem ersten Weltkrieg erbaut, hat nicht weniger Besetzungen ausgestanden als die Heimat. Bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges besetzten englische Truppen das Gebäude, in dem nur ein einziger Bruder zurückblieb. Die Engländer blieben bis 1948, dann wurde das Hospiz von arabischen Freischärlern unter der Führung eines „Generals“ mit dem an die Hussitenkriege gemahnenden Namen „Abu Ibrahim der Kurze“ okkupiert. Inventar, das von den Briten nicht entfernt worden war, wurde von den Arabern geplündert, die sogar das Bleidach der Kapelle stahlen.

Als die Araber nach dem ersten Waffenstillstand den Kampf wieder aufnahmen, wurde Nazareth, und damit auch das Oesterreichische Hospiz, von israelischen Truppen besetzt. Dank der unablässigen Bemühungen des österreichischen Generalkonsuls in Israel, Dr. H a r 11, den man als den zweiten Gründer des Hospizes bezeichnen könnte, wurde das Gebäude schließlich den Barmherzigen Brüdern wieder zurückgegeben, und Anfang dieses Jahres kamen Bruder Isfried und Bruder Paul, um den Hospizbetrieb wiederaufzu- nehmen. Das Gebäude war kaum mehr als eine Schale. Der Orden und seine Freunde spendeten die Einrichtung für 25 Zimmer, von denen ein halbes Dutzend bereits benutzbar ist.

Bei meinem ersten Besuch erinnerte mich Bruder Isfried (ich hoffe, er verzeiht mir, wenn er dirte Zeilen liest) an Guareschis Don Camillo. Jede Nacht“, erzählte er, kamen die Araber aus dem Ort und stahlen, was nicht niet- und nagelfest war. Wenn ich einen erwischte, versuchte ich ihm das Stehlen auszureden. Es half nichts. Na, da zeigte ich Ihnen, daß man auch unter der Kutte handfeste Muskeln haben kann. Jetzt kommen sie nur noch selten, aber geben Sie doch lieber das Ersatzrad von Ihrem Wagen ins Haus hinein...“ Leider hat Bruder Isfried keinen Peppone. Arabische Kommunisten gibt es in Nazareth genug, aber sie sind viel humorloser als ihre italienischen Genossen.

Der Komplex des Oesterreichischen Hospizes schließt auch den deutsch-österreichischen Kriegerfriedhof des ersten Weltkrieges ein, die schönste und würdigste Anlage im ganzen Heiligen Land, hingebend von Bruder Isfried und seinen Helfern gepflegt. Alle Besatzungstruppen haben den Friedhof respektiert, ein sprechendes Zeugnis für den Ruf der deutsch-österreichischen Palästinakampfer im ersten Weltkrieg.

Die Mahlzeiten im Oesterreichischen Hospiz sind bescheiden, aber reichlich. Am Abend spricht Bruder Isfried lang von seiner Mühlviertler Heimat. Die Orangenblüten im Hospizgarten haben ein fremdes Aroma, aber die Aleppokiefern, die das Haus umstehen, duften wie in der Hinterbrühl. Auch in diesem Lager in Oesterreich, möchte man beinahe sagen.

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