"Prestigeobjekt mit praktischem Nutzen"

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Über das Österreichische Hospiz in Jerusalem haben der Rektor des Hauses, Markus St. Bugnyar, und der Historiker Helmut Wohnout ein prachtvolles Buch herausgegeben. Das Werk vereint die Qualitäten wissenschaftlicher Arbeit mit den Vorzügen eines Bildbandes.

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Über das Österreichische Hospiz in Jerusalem haben der Rektor des Hauses, Markus St. Bugnyar, und der Historiker Helmut Wohnout ein prachtvolles Buch herausgegeben. Das Werk vereint die Qualitäten wissenschaftlicher Arbeit mit den Vorzügen eines Bildbandes.

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Mit Gottes Hilfe ist es aber nun vollendet. Auf einer Anhöhe, vor welcher die Damaskusstraße mit dem Leidenswege zusammentrifft, erhebt sich geräumig und in edlen Formen aus Stein gebaut das österreichische Pilgerhaus. [...] Die Pilger aus den österreichischen Ländern haben natürlich vor allen anderen den Vorzug: denn die Gründung wurde begonnen und vollendet, damit niemand, welcher dem Kaisertume angehört, sich zu Jerusalem vereinzelt fühle, sondern in der Nähe der Heiligtümer [...] von der liebevollen Fürsorge seines Vaterlandes sich umgeben fühle."

Das schrieb der Wiener Erzbischof Kardinal Joseph O. Rauscher im Jahr 1863 an die Bischöfe der k. u. k. Monarchie zur Eröffnung eines Hauses, das wahrscheinlich nur wenige österreichische Pilger im Heiligen Land nicht kennen. Jeder muss dort zumindest vorbeigekommen sein, viele haben in dem Haus auch gewohnt: das österreichische Hospiz an der Via Dolorosa mitten in der Altstadt von Jerusalem.

Vielzahl von historischen Ansichten

Über das traditionsreiche Haus haben der gegenwärtige Rektor des Hospizes, Markus St. Bugnyar, und der angesehene Wiener Historiker Helmut Wohnout ein prachtvolles Buch herausgegeben: "Im Orient zu Hause". Das Werk vereint die Qualitäten anspruchsvoller wissenschaftlicher Arbeit mit den Vorzügen eines Bildbandes. Mit vielen historischen Dokumenten stellt es die Gründung des Hospizes in Bezug zur österreichischen Geschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In hunderten einmaligen Fotos werden die künstlerischen Besonderheiten des Hauses präsentiert. Die Autoren haben auch eine Vielzahl von historischen Ansichten aufgetrieben, die die Umstände des Baus zeigen und die Entwicklung der Jerusalemer Altstadt bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts illustrieren. Der Lesegenuss wird freilich dadurch getrübt, dass manche Autoren glauben, das große I im Wort verwenden zu müssen, was bei Büchern dieses Anspruchs bisher nicht üblich war.

Österreichs Ansehen im Orient

Die beiden Herausgeber stellen das Hospiz in den Rahmen seiner Entstehung: Ein "Prestigeobjekt aus konkretem Anlass mit praktischem Nutzen" nennt es Bugnyar. Österreich wollte die immer zahlreicher werdenden Pilger nicht "in den Händen italienischer oder französischer Betreuung wissen". Österreichs Ansehen im Orient sei auch heute noch mit "dem Projekt Österreichisches Hospiz" verbunden.

Wohnout sieht die Gründung "vor dem Hintergrund machtpolitischer Rivalitäten" zwischen Österreich und anderen Mächten, vor allem der Hohen Pforte, Russland, Frankreich und Preußen. Schon 1846 fasste Staatskanzler Fürst Metternich die Motive zunächst für die Gründung einer konsularischen Niederlassung in Jerusalem zusammen: Stärkung der katholischen Seite gegenüber der Orthodoxie, Bildung eines

Gegengewichts zur protestantischen Mission und gegen das katholische Frankreich, das in Palästina "unter dem Deckmantel der Religion" politische Absichten verfolge.

Streifzüge durch die Geschichte des Heiligen Landes in Archiven von Jerusalem, London und Wien hat Florian Schiemer gemacht. Er beschreibt die Geschichte des Hospizes bis zu seiner Wiedereröffnung 1988, nachdem es 45 Jahre lang die verschiedensten Verwendungen hatte, darunter auch als Krankenhaus. Wie die Habsburger zum Titel "König von Jerusalem" kamen, erklärt Wolfgang Bandion. Über die Entwicklung des Pilgerwesens im Habsburgerreich schreibt Barbara Haider-Wilson. Auch die schöne Bibliothek des Hauses und die vielen Kunstgegenstände werden beschrieben. Schließlich gewährt der Rektor einen "Blick in Gegenwart und Zukunft des Hospizes".

Der eingangs zitierte Brief von Kardinal Rauscher endet mit einem Wunsch, den man auch heute gern wiederholt: "Mögen lange Züge von Wallfahrern es besuchen und am Grabe des Heilandes Vollendung in Glauben und Liebe finden! Nach der Heimkehr werden sie die gewonnene Kraft in allen Kreisen ihres Berufes bewähren und durch leibliche und geistliche Werke der Barmherzigkeit fruchtbringend machen."

Im Orient zu Hause

Das Österreichische Hospiz in Jerusalem

Von Markus St. Bugnyar und Helmut Wohnout (Hg.)

Verlag Geschichte &Kunst, Wien 2015 Farbbildband, 320 Seiten, geb., € 39,90

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