"Mugabe, der Verräter"

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Weil die Opposition in Simbabwe zerstritten und schwach ist, muss er das Wort gegen Robert Mugabes Regime erheben, sagt Erzbischof Pius Ncube.

Pius Ncube (60) ist seit neun Jahren Römisch-Katholischer Erzbischof von Bulawayo in Simbabwe. Er gilt als scharfer Kritiker des Mugabe-Regimes und Verteidiger der Menschenrechte in seinem Heimatland. Ncube führt eine Koalition von Kirchen, die sich für die Verbesserung der politischen Situation und Bedingungen im Land einsetzt. 2003 ist Ncube mit der Auszeichnung der New Yorker Organisation "Human Rights First" geehrt worden. Seine Offenheit gegen Gewalt und Folter brachte ihm zahlreiche Todesdrohungen ein.

Die Furche: Herr Erzbischof, die Regierungspartei Zanu-Pf versucht, das Mandat von Robert Mugabe bis 2010 zu verlängern. Wird es zu einer solchen Änderung der Verfassung kommen?

Pius Ncube: Mugabe ist machthungrig, er macht weiter. Das ist keine Überraschung. Er wird bald 83 und hat über die Jahre schon oft erklärt, dass er das letzte Mal kandidiert, und hat es nicht eingehalten. Ihm ist klar, was mit Diktatoren geschieht, wir haben es mit Pinochet, Mengistu und anderen erlebt. Mugabe fürchtet die Konsequenzen seiner Taten. Zudem muss die Partei das Problem der Präsidenten-Nachfolge lösen und da es keinen geeigneten Kandidaten gibt, ziehen sie die Machtfrage länger hinaus. Ein Vorteil ist, dass eine Verlegung der Wahlen ins Jahr 2010 auch der Opposition Gelegenheit gibt, sich bis dahin wieder zu finden.

Die Furche: Wie tief ist der parteiinterne Machtkampf, lässt Mugabe neue Kandidaten zu?

Ncube: Robert Mugabe ist Zanu-Pf. Er verdrängt jeden, der Ambitionen auf die Präsidentschaft hegt. Er ist ein großes Hindernis für seine eigene Partei.

Die Furche: Einst als Befreiungsheld gefeiert, lässt Mugabe heute Oppositionelle foltern und ermorden. Was ist schief gegangen?

Ncube: Macht korrumpiert. Er hat Gräueltaten begehen lassen und Fehler gemacht. Die guten afrikanischen Führern, wie Nyerere und Mandela, haben auch Fehler gemacht, konnten jedoch zugeben, wo sie geirrt haben. Aber Mugabe findet 101 Wege, die Dinge zu seinen Gunsten auszurichten, anstatt auf sein Volk zu hören. 500 Menschen sterben täglich an Gewalt und HIV/AIDS, Krankenschwestern und Ärzte verlassen das Land. 3,5 Millionen meist gut ausgebildeter Simbabwer leben jenseits der Grenze, 400.000 in England, 200.000 in den USA und Millionen in Südafrika. Mugabe ist ein Verräter. Er hat die Nation nach der Befreiung gebildet, jetzt verkauft er das Land an die Chinesen. Doch die sind hier aus Eigeninteresse, während die westliche Entwicklungshilfe die Menschen stärkt und Hilfe gegen Hunger und AIDS gibt.

Die Furche: Alle Versuche der Vereinten Nationen wie einzelner Länder, Simbabwe aus der Krise zu helfen, sind gescheitert. Was kann noch helfen?

Ncube: Der internationale Druck muss bestehen bleiben. Viele afrikanische Regierungsoberhäupter sind so hoffnungslos korrupt wie Mugabe. Sie wollen nicht, dass Mugabe mit Steinen auf ihr Glashaus wirft, wenn sie ihn stärker kritisieren. Die afrikanischen Regierungen haben versagt, gemeinsam gegen Mugabe zu widerstehen. Sanktionen aber wären nicht ratsam, die Menschen würden nur noch mehr leiden. Es besteht auch eine Art Mugabe-Müdigkeit. Aber er hat immer noch ein weites Netz an Unterstützern. Wir müssen die Simbabwer besser erziehen, damit sie ihre Politiker verantwortlich machen und gegen sie aufstehen. Selbst die Polizei, die blind und brutal den Anordnungen folgt, ist unzufrieden. Einige gaben mir gegenüber privat zu, wenn sie aufbegehren, verlieren sie ihren Job.

Die Furche: Nachbar Südafrika, übt nur leise Kritik am Mugabe.

Ncube: Ja, Südafrika muss stärker die Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe anprangern. Sie haben uns verraten und tanzen weiter zu Mugabes Musik.

Die Furche: Die Oppositionspartei MDC (Bewegung für demokratischen Wandel) ist gespalten, desolat und praktisch ohne Führung. Gibt es Zeichen einer Einigung und Stärkung beider Fraktionen in der Partei?

Ncube: Oppositionsführer Morgan Tsvangirai könnte seine Fehler zugeben und die Partei wieder vereinen, er bildet eine Art Block in seiner Partei. Während der Operation "Murambatsvina" ("Müllentsorgung" - Säuberungsaktion der Siedlungen durch Staatsgewalt im Mai 2005), bei der 700.000 Menschen ihre Unterkünfte und Habe verloren, tat Tsvangirai nichts. Es herrscht ein Mangel an Vision, und ich beschuldige beide Partei-Fraktionen in dieser Hinsicht. Deshalb kam es zur Spaltung in der Opposition. Alles nur, weil sie zu engstirnig geworden sind. Wir könnten eine neue Bewegung starten …

Die Furche: … die auch genügend Unterstützung bekommen wird?

Ncube: Schwierig, die Menschen in Simbabwe sind demoralisiert, sie haben alles verloren, Geld, Besitztum; die Hälfte der Bevölkerung braucht Lebensmittelhilfe. Massenprotest wäre trotz des Polizeiterrors noch möglich, wenn wir den Menschen mehr Zuversicht geben könnten. Aber wir müssen die Hoffnung bewahren. Wenn wir eine gute Opposition hätten, müsste ich mich nicht so engagieren. Ich entferne mich schon zu oft von meiner eigentlichen Arbeit und wurde zum Regime-Kritiker, weil Mugabe versucht, den Raum für Demokratie zu vernichten.

Die Furche: Wie gehen die Menschen in Simbabwe mit dem harten Lebensalltag, der Armut und der zunehmenden HIV/AIDS Krise um?

Ncube: Bei einer Inflation von inoffiziell 2000 Prozent und einem bankrotten Staat - was soll da noch funktionieren. Das Leben ist extrem miserabel. Die Preise verdoppeln sich jeden Monat. Ein Lehrer verdient zehn britische Pfund im Monat. Die meisten Menschen essen nur einmal am Tag, Kinder gehen nicht mehr zur Schule und das Benzin ist knapp und unbezahlbar; also geht man zu Fuß oder auf dem Land fährt man mit dem Eselswagen. Die Kriminalität wächst und wächst, nachts drängen Diebesbanden in die Häuser. Zudem scheint heuer eine Dürreperiode heraufzuziehen. Zudem: 20 Prozent der 15 bis 49-Jährigen sind mit HIV/AIDS infiziert, aber die Preise für Aidsmedikamente, wenn es sie mal gibt, sind zu teuer. Außerdem hat die Aidskrise 1,3 Millionen Waisenkinder hinterlassen Wir sind auch hier auf ausländische Hilfe angewiesen.

Das Gespräch führte Martina Schwikowski.

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