Achten Sie auf die Marke

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Anmerkungen zum Phänomen Karl-Heinz Grasser.

Der Finanzminister, ein Bruder der Wahrheit als Tochter der Zeit. "Am Ende bleibt nichts übrig", sagt Andreas Khol - und meint die "Kampagne" gegen KHG. "Nichts übrig" bleiben könnte auch von Karl-Heinz Grasser als Finanzminister, aber das werden wir ja noch sehen.

Jenseits der diversen steuerrechtlichen und sonstigen Vorwürfe gegen Grasser, die in der ORF-Sendung Offen gesagt offenkundig so gar nicht offen angesprochen werden sollten (siehe auch die Kolumne "In Medias Res", S. 16), ist vor allem die Frage nach den Rahmenbedingungen für das Phänomen Karl-Heinz Grasser von Interesse. Hinter dieser Frage steht die Vermutung, dass Grasser als Minister nicht ein Fehlgriff, Betriebsunfall, oder auch ein ursprünglich wahlstrategisch gelungener, jetzt zur Belastung gewordener Personalcoup Wolfgang Schüssels war - sondern Symptom des Systems ist; dass sich in ihm das herrschende Verständnis von Politik zuspitzt, das freilich seinerseits nicht ohne sein konkretes gesellschaftliches Umfeld denkbar ist.

Der Finanzminister als Sohn der Zeit: Hat Karl-Heinz Grasser nicht einfach - schneller, wendiger, erfolgreicher, auch penetranter als andere - die Regeln des politmedialen Spiels verstanden, sich zu eigen gemacht, internalisiert? Legionen von Politikern etwa haben in Theorie und Praxis dem Grundsatz gehuldigt, dass man gegen die Kronen Zeitung nicht regieren könne. Grasser hat es in einer Weise verstanden, sich zum Darling der alten Herren in der Muthgasse zu machen, die vielleicht sogar bisweilen Michael Häupl und Erwin Pröll Anerkennung abringt: Auf der Spitze des Stephansturms, in Begleitung des Krone-Reporters als einzigen Printjournalisten, versteht sich, wurden die beiden noch nicht gesichtet.

In den Neunzigern kam News dazu - und damit wurden die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Spielregeln entscheidend verändert: Zum Traditions- gesellte sich der Zeitgeist-Boulevard, der das Ressentiment durch fun ersetzt oder auch nur überdeckt. Fortan galt es für Politiker auch dieses Feld zu bedienen. Kann man es Grasser nach all den Haider-, Klima-, Klestil-Covers verübeln, wenn er für die Info-Illustrierte als James Bond posiert?

In gewisser Weise vielleicht noch mehr am Puls der Zeit ist indes ein Magazinprodukt aus dem gleichen Stall, das sich vor kurzem neu positionierte: Nach den ersten vier Nummern, ist man geneigt zu sagen: Grasser hat Format. Zweimal bereits zierte der Finanzminister das Cover. Im Unterschied zu News versteht sich Format expressis verbis als Magazin für die Elite - der auf jedem Titelblatt versprochen wird: "Mehr Geld. Mehr Erfolg. Mehr Leben". Das klingt wie die Kurzfassung einer Budgetrede von KHG und markiert wohl auch den ganz persönlichen Leitfaden des Ministers: Wohl dem, der lebt, was er anderen predigt!

In dieser von einigen Leitmedien entsprechend zugerichteten Öffentlichkeit zählt die Verpackung mehr als der Inhalt, die Marke mehr als die Substanz. Warum sollte da einer wie Grasser nicht bedenkenlos in Eigen-PR investieren, woher sollte er das Bewusstsein für die Differenz zwischen der Person und dem Amt haben, dafür, dass dem Minister Dinge verwehrt sind, die dem Privatmann zustehen? Durch die zunehmende Verwischung der Grenzen zwischen "öffentlich" und "privat" ist ja beides längst beschädigt. Und erst diese Verwischung macht es möglich, dass auf einer Homepage zur höheren Ehre der "New Economy", also eines möglichen wirtschaftspolitischen, öffentlichen Ziels, Baby- und Kinderfotos (mittlerweile sind sie entfernt) platziert werden.

In Zeiten, da in sozialdemokratischen Reformpapieren der Begriff der "Ich-AG" kursiert, kann auch das Anstecken der persönlichen Initialen (KHG) am Revers nur noch als ein äußerliches Auf-die-Spitze-Treiben der Dinge, nicht mehr bloß als absurde Eitelkeit eines Egomanen erscheinen: Achten Sie auf die Marke, wird rundum suggeriert. Nichts anderes hat Grasser getan - nur halt zielstrebiger als viele andere.

Vielleicht muss man ja Karl-Heinz Grasser für all diese Überzeichnungen dankbar sein: dafür, dass er die Dinge bis zur Kenntlichkeit entstellt.

rudolf.mitloehner@furche.at

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