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Das Österreich von Wolfgang Fellner & Karl-Heinz Grasser.

Die Wirklichkeit setzt oft auf die schönsten Pointen noch eins drauf. "Die Sportfeindin Elfriede Jelinek ist zur Hermine Maier der Literatur geworden", schrieb Daniela Strigl in ihrer letztwöchigen Furche-Kolumne. Als hätte es noch eines Beweises für die Trefflichkeit dieser Aussage bedurft, fand sich im jüngsten News-Editorial unter dem Konterfei der Jelinek jenes des Hermann Maier: "Elfriede Jelinek: ihre Romane als Leseprobe" - "Hermann Maier: freche Memoiren" verhießen die dazugehörigen Bildtexte. Literatur ist Literatur - und in News sowieso exklusiv, wie auch das dem Magazin beigelegte Extra, das sich der Einfachheit halber gleich Exklusiv nannte und "Luxus und Lifestyle, ganz im Stile internationaler Hochglanz-Modejournale" versprach.

"Wer kann da schon widerstehen", würde vielleicht der Finanzminister, ein Hermann Maier der Politik, sagen, wäre er für die News-Gruppe tätig. Das war er, wie der Skistar, bisher nur indirekt - als Coverboy, mit rauchendem Colt in 007-Pose etwa, oder mit Eurosternchen in den Augen; doch man könnte sich eine engere Kooperation schon prinzipiell vorstellen, auch wenn diese nach allem, was man weiß, in der Lebensplanung des Karl-Heinz Grasser nicht vorgesehen ist. Gleichviel, es geht um die Entsprechung zwischen Phänomenen in den Medien und in der Politik: Die Entjournalistisierung des Journalismus korrespondiert mit der Entpolitisierung der Politik; erstere hat letzterer den Boden aufbereitet, wie umgekehrt letztere erstere befördert. "Den Markt befruchten" nennt das News-Gründer Wolfgang Fellner (in einer als Medien-Spezial getarnten Format-Jubelstrecke aus Anlass seines 50. Geburtstages). Und von Karl-Heinz Grasser hören wir sinngemäß, dass es keine rechte oder linke Politik mehr gebe, sondern nur noch eine gute und richtige, will sagen: seine.

So kommt also im freundlich-liberalen Gewand der Entideologisierung die Ideologie des Zeitgeistes daher. Was sich ändert, ist die Marketing-Strategie, sind die Slogans, die Cover-Helden, zum Teil auch Freunde und Feinde. Der Rest bleibt gleich. Früher begann ein guter Tag mit dem Nulldefizit, heute wird er mit der größten Entlastung aller Zeiten eingeleitet. Das Verständnis von Politik als Staatskunst, als Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten (res publicae) vermisst man durchgängig.

Grassers Politik nach inhaltlichen Kriterien zu bewerten, hat demnach etwas von einem systemimmanenten Widerspruch an sich; ungefähr so, als legte man an News die Maßstäbe der Zeit an. Versucht man es dennoch, so wird man die seinerzeitige Strategie des Schuldenabbaus natürlich im Prinzip als richtig bezeichnen müssen. Darüber ließ sich ja im Lauf der Zeit auch ein politischer Konsens herstellen, der in etwa lautete: Nulldefizit ja, aber nicht um jeden Preis, also nicht in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Für solche Differenzierungen ist freilich kein Platz in einer Politik, welche die Sekunden bis zur Schuldenfreiheit auf einer eigens installierten Digitaluhr öffentlichkeitswirksam herunterzählen lässt. Das aber ist bekanntlich Schnee von gestern: Nun nimmt KHG um eines als wichtiger erkannten Zieles willen - Steuersenkung zum Zwecke der Wirtschaftsbelebung - eine höhere Neuverschuldung in Kauf. Das könnte man in der Sache, der Werbe-Floskeln entkleidet, als vernünftige Korrektur im Sinne der Kritiker von einst verstehen. Seltsam nur, dass die nun den Finanzminister für das prügeln, was sie selbst stets gepredigt haben. In der reflexhaften Reaktion der politischen Gegner manifestiert sich, so scheint's, der Erfolg der PR-Maschinerie KHG in besonderer Weise.

Noch etwas anderes aber wäre einer näheren Betrachtung wert gewesen: Die kommende Steuersenkung bedeute, so der Finanzminister, dass wir künftig zwei Wochen weniger für den Staat arbeiten müssten. Über dieses Verständnis von Staat - als eines anonymen, fremden Molochs - sollten wir uns beizeiten noch genauer unterhalten. Denn der Staat, das sind auch Schulen, Kindergärten, Sozial-, Kultureinrichtungen etc. Hier, in dieser pauschalen Diskreditierung "des Staates", liegt der Kern jener Hochglanz-Politik, die zwischen "Jelinek" und "Maier" mangels Maßstäben nicht mehr unterscheiden kann.

rudolf.mitloehner@furche.at

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