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Österreich wird neu: Kaum zu glauben.

Das Land dämmert einem heißen Herbst entgegen. Die Ruhe täuscht, unter der Decke der zuletzt drückenden Hitze herrscht reges Leben der polit-medialen Eliten der Republik, auch wenn sie um jeden Preis den gegenteiligen Eindruck zu vermitteln bestrebt sind. Wenn das Publikum - also jene, um die es angeblich geht: Wähler, Seher & Hörer, Leser, User, was auch immer - wenn die also wieder in der Realität angelangt sein werden, wenn sie der Alltag wieder hat, dann wird vieles von dem, was sich jetzt anbahnt, fast schon wieder vorbei sein: Es wird - chronologisch gereiht - eine/n neue/n ORF-Chef/in geben, eine neue Tageszeitung erschienen sein und der Wahlkampf in den letzten Zügen liegen.

All das ließe sich unter jenes Motto stellen, das - laut Eigendefinition - "Österreichs erfolgreicher Mediengründer" Wolfgang Fellner für sein Tageszeitungsprojekt ausgegeben hat und flächendeckend affichieren lässt: "Österreich wird neu". Das kommt natürlich in allen drei Fällen einer gefährlichen Drohung gleich, denn wahr ist vermutlich jeweils das Gegenteil:

* Es wird - der Bedeutung nach gereiht - allem Anschein nach zu einer Regierung kommen, die schon alt aussieht, bevor sie zu arbeiten begonnen hat: teilweise vom Personal her, vor allem aber der Form nach - einer großen Koalition.

* Bleibt Monika Lindner ORF-Generalin, erübrigt sich das Wort "neu" ohnedies; bereits ihre Bestellung vor vier Jahren konterkarierte das von der Regierung bekundete Bemühen um eine umfassende ORF-Reform. Ob indes Wolfgang Lorenz, Lindners aussichtsreichster Konkurrent, die "Riesenorgel" tatsächlich neu zum Klingen bringen könnte, bleibt abzuwarten. Lorenz ist gewiss ein kreativer, kluger Kopf, parteipolitisch und seilschaftsmäßig weniger punziert als Lindner - aber pointierte, geistreiche Formulierungen allein werden für den Job nicht reichen. Ebensowenig der Hang zum schrägen Event: diverse Unsäglichkeiten im Rahmen des von Lorenz gemeinsam mit Georg Springer verantworteten Projekts "25 Peaces" - EU-Pornoplakate, grasende Kühe in der Stadt etc. - machen jedenfalls skeptisch.

* Das Rezept von Wolfgang Fellner, ein neues Produkt auf den Markt zu hypen, ist hinreichend beschrieben worden. Magazin um Magazin hat er uns hingeschleudert - und damit neue, schlechtere, journalistische Maßstäbe gesetzt. Das Koordinatensystem des öffentlichen Diskurses wurde dadurch deutlich verzerrt, das hierzulande ohnedies nur zart keimende Pflänzchen des Qualitätsjournalismus nachhaltig beschädigt. Nun soll es also daily News geben, angeblich unter dem Titel Österreich. Nein, Fellner wird die Tageszeitung nicht neu erfinden, Österreich demnach nicht neu - und erst recht nicht Österreich. Aber es ist, wie Engelbert Washietl vor einiger Zeit im Österreichischen Journalist schrieb: "Das bloße Warten auf die Fellner-Tageszeitung hat die Medien bereits verändert." Von der "Ökonomie", die "in den Journalismus eingebaut" wird, ist dort etwa die Rede, und von einer Zeitungswelt, die "den Fellners eine tatfreudige Absolution (erteilt), indem sie deren journalistisch-ökonomische Praktiken anwendet".

Dass die handelnden Personen in den genannten drei Bereichen um größtmögliche Ruhe, Unaufgeregtheit, Gelassenheit nach außen bemüht sind, ist aus deren Sicht verständlich. Irritieren sollte indes, dass die österreichische Öffentlichkeit den beschriebenen Vorgängen mit phlegmatischem Desinteresse gegenübersteht - rühren diese doch durchaus an die demokratiepolitische Substanz des Gemeinwesens. Doch beißt sich hier wohl die Katze in den Schwanz: Wäre das Publikum ein anderes, fänden auf den Bühnen bessere Aufführungen statt; umgekehrt verdirbt permanent schlechtes Theater auch den Geschmack.

Österreich wird neu: Das wäre in vielem wünschenswert - allein, man weiß nicht, woher diese Erneuerung kommen sollte. Das Land dürfte, im Gegenteil, am Ende des Jahres ziemlich alt aussehen. Das ist, zugegeben, bei einem der reichsten und auch lebenswertesten Länder der Welt gewiss nicht schlimm - aber um diesen Status zu halten, bräuchte es auf allen Ebenen mehr Perspektiven, als derzeit auszumachen sind.

rudolf.mitloehner@furche.at

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