Alte Wunden schließen

Werbung
Werbung
Werbung

Wie das Serben-Heiligtum auf dem Berg Athos nach der Brandkatastrophe auferstehen soll.

War es eine Katastrophe? Oder ein Wunder? Oder etwas von beidem? In der Nacht vom 3. auf den 4. März dieses Jahres vernichtete ein Großfeuer zwei Drittel aller Gebäude des Klosters Hilandar auf dem Berg Athos. Innerhalb weniger Stunden war das über 800 Jahre alte Nationalheiligtum der serbischen Orthodoxie zur weitgehend ausgebrannten Ruine geworden. Die Bilder der rauchenden Mauerreste gingen um die Welt.

Und doch: Alle wichtigen Heiligtümer und Kunstschätze von Hilandar - die wundertätigen Ikonen, die herrliche Kirche, die Fresken des Speisesaales, die Reliquien, die liturgischen Kostbarkeiten, die mehr als zwei Millionen Seiten frühslawischer Handschriften -, all das wurde gerettet. "Es war erschütternd und rührend zugleich: Inmitten der Flammen standen alte Mönche auf dem Kirchendach und beteten - dem Feuer zugewandt", erzählte der Anthropologe Horst Seidler, der mit dem Rektor der Wiener Universität Georg Winckler und zwei Freunden als einzige Ausländer die Nacht des Feuers miterlebt hatte.

"Garten der Muttergottes"

Wieder einmal hat die Muttergottes "ihr Kloster" vor dem Ende bewahrt, sagen die Mönche. Und reihen die Geschehnisse in die große Erzählung berührender Wunder ein, die Hilandar über die Jahrhunderte vor dem oft sicher scheinenden Tod bewahrt haben: Von Feuerstürmen und Erdbeben geprüft, von Piraten verwüstet, von spanischen Söldnern und türkischen Eroberern belagert - und doch immer wieder auf wunderbare Weise gerettet. Einmal, vor langer Zeit, seien sogar an die tausend Seeräuber vor den Klostermauern gestanden. Da legte sich plötzlich dichter Nebel über das Kloster, so dass die Angreifer ihre Orientierung verloren. Völlig verwirrt begannen die Räuber aufeinander einzudreschen. Nur drei von ihnen hätten überlebt - und mit ihnen auch Hilandar.

Die letzte Mönchsrepublik der Erde am östlichsten "Finger" der griechischen Halbinsel Chalkidike, gekrönt vom mehr als 2.000 Meter hohen, steil ins Meer abfallenden Athosgipfel, versteht sich noch heute als "Garten der Muttergottes". Hier soll sie in einem Seesturm an Land gegangen und ihren göttlichen Sohn um dieses paradiesische Stück Land gebeten haben. Seither ist die Gottesmutter (laut Verfassung) die einzige Frau auf dem Athos - lebendig in den zahllosen Ikonen der zwanzig großen Klöster, der Mönchsdörfer und Hunderten Einsiedeleien.

Wie unmittelbar ihre Präsenz ist, vermag ein Außenstehender kaum zu ermessen: Im ältesten der Athosklöster "amtiert" sie seit Jahrhunderten formell als Ökonom, in einem anderen Kloster als Pförtner. Im Serbenkloster Hilandar aber ist die "Panaghia" - die "Ganzheilige" - sogar die Abtissin. Nur stellvertretend für sie nimmt der gewählte Abt bestimmte Aufgaben wahr. Immer wieder ist die wundertätige Prozessions-Ikone der "Dreihändigen Muttergottes" - das größte, in der ganzen orthodoxen Welt verehrte Heiligtum des Klosters - in Hilandar den Flammen und Feinden entgegengetragen worden. Und immer hat sie überlebt und ihr Kloster gerettet.

Ökumenische Offenheit

Und jetzt? Noch liegt die gewaltige Kloster-Festung weitgehend in Trümmern. Versteckt im dichten Wald und eine halbe Wegstunde von der Küste und dem so verzweifelt benötigten Löschwasser entfernt. Mehr als sechs Stunden brauchten die griechischen Feuerwehren, um per Schiff und über schwer befahrbare Güterwege zum Brandort vorzudringen. Aber der Kreislauf von Blüte und Verfall, von Bedrohung und Rettung soll weitergehen: Hilandar wird erneut auferstehen, hoffen die Mönche, die noch während des Feuers zum gemeinsamen Gebet zusammengefunden hatten. Ihre Hoffnung ruht auf der Unterstützung von Serben, Griechen und unzähligen Gläubigen der Ostkirchen. Und auf der Großherzigkeit von Christen in aller Welt. Die Mönche vertrauen darauf, dass auch ihre - am Athos keineswegs selbstverständliche - ökumenische Offenheit dazu beiträgt, möglichst viele Herzen zu öffnen.

Der Blick in die Geschichte könnte diese geschwisterliche Hilfe verstärken: Genau 800 Jahre sind heuer seit der Eroberung und Plünderung von Byzanz durch die lateinischen Kreuzfahrer vergangen. Mit ihr begann die unheilvolle Verstrickung im Verständnis von West- und Ostkirchen. Die "Wiedergeburt" Hilandars könnte mithelfen, alte Wunden zu schließen.

Hilfsaktion

Zehn bis fünfzehn Jahre Bauzeit - und ein Kostenaufwand von zehn bis fünfzehn Millionen Euro: Das ist nach dem ersten Urteil von Experten der "Preis" für die Wiederauferstehung des Athos-Klosters Hilandar nach der Brandkatastrophe vom März d. J.

Auch österreichische Christen in Österreich wollen mithelfen. So hat der Grazer Theologe und Priester Philipp Harnoncourt - Vordenker der Annäherung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche - anlässlich seines Goldenen Priesterjubiläums am 11. Juli eine Hilfsaktion zum Wiederaufbau von Hilandar gestartet.

Die Furche schließt sich seinem Appell gerne an und bittet ihre Leser um einen finanziellen Beitrag.

Spenden werden erbeten auf das Konto Nr. 67330 "Pro Oriente, Spenden" bei der Raiffeisen-Landesbank Steiermark (RLB Stmk; BLZ 38000), Zahlungszweck "Chilandari-Kloster, Jubiläum Philipp Harnoncourt" oder mittels beiliegendem Zahlschein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung