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1000 Jahre heiliger Berg Athos

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Der Patriarch von Konstantinopel, Athenagoras, hat den Erzbischof von Wien, Kardinal Dr. König, in diesen Tagen zu einem Besuch der Athos- klöster eingeladen.

Das 10. und 11. Jahrhundert sind im Osten wie im Westen besonders reich an Klostergründungen gewesen. In Griechenland begeht man heuer die Tausendjahrfeier des heiligen Berges Athos. Das gibt uns Anlaß zu kurzer Betrachtung der Geschichte und Gegenwart dieser seltsamen Mönchs republik im Osten des Mittelländischen Meeres.

Der östliche der drei Finger, welche die Chalkidike in das Ägäische Meer streckt, trägt den 1935 Meter hohen Athosberg, an dessen Felsen im Altertum schon viele Schiffe zerschellt sind. Xerxes trennte die etwa 40 Kilometer lange Halbinsel durch den Bau eines

Kanals vom Festland. Dieses landschaftlich ungemein anmutige, aber abgeschiedene Gebiet wurde später beliebtes Ziel weltflüchtiger Gottsucher und Kampfplatz um Vollendung ringender Asketen.

Im 8. und 9. Jahrhundert sind da neben den spärlichen dörflichen Siedlungen schon eine Reihe Mönche, die in Höhlen und dürftigen Hütten hausen, in Klausnereien und kleineren Klöstern. Auch ein lateinisches Kloster der Amalfitaner entsteht, die nach der Benediktregel hier leben; davon zeugt heute noch ein verlassener Turm. Große Klöster entstehen nicht so nahe am Meer, dessen Küsten von den see- räuberischen Sarazenen oft heim- gesucht werden.

Die einzeln oder in kleinen Gruppen lebenden Mönche wählen aus ihrer Mitte einen Ersten, den Protos, zur gemeinsamen Vertretung ihrer Angelegenheiten. Der Protos ruft in der Mitte des Landes dreimal jährlich die Asketen zu gemeinschaftlichem Ratschlag zusammen. Es entsteht zu Mesi das Protaton mit einer Kirche, dem Entschlafen der Gottesmutter geweiht.

Nach der Mitte des 10. Jahrhunderts erst gelingt dem kaiserlichen Heer die Niederwerfung der Sarazenen und die Sicherung der Küsten. Der siegreiche Feldherr ist Nikephoros Phokas, Neffe des Hegumenos der Laura des Erzengels Michael zu An- kyra. Aus diesem Kloster stammt Athanasios, der nach mehreren Jahren Einsiedlerlebens auf Athos den Feldherrn nach Kreta begleitet hatte, und der nun von Nikephoros zur Gründung eines Großklosters auf Athos angeregt wurde. 961 wurde das Kreuz an der Stelle aufgepflanzt, wo das Kloster stehen sollte. Nikephoros Phokas wurde zwei Jahre darauf römischer Kaiser und unterstützte den Bau des Klosters mit aller Kraft.

Kaiser Johannes Tsimiskos erließ d 'KSfol.’ anf dem die Athos- verfassung gesetzlich ruht. Das Athos- land wird autonome Mönchsrepublik; Bartlose werden nicht geduldet; die je für sich autonomen Mönchsgemeinden haben im Protos ihren gemeinsamen Vertreter. So ist es bis heute grundsätzlich geblieben.

Ein Kloster nach dem ändern entstand auf Athos. Kaiser, Fürsten und Edle beschenkten sie. Von 1450 bis 1912 sind die Türken wohl Oberherren, tasten aber die Freiheit der Klöster und der heiligen Gemeinschaft des Berges Athos nicht an. Seit 1912 ist Griechenland die Schutzmacht; die Athosbewohner sind griechische Staatsbürger. Aber die heute geltende, auf internationale Verhandlungen gegrün dete Verfassung von 1927 beschränkt die Eigenständigkeit des heiligen Berges nicht.

Präsident der Mönchsrepublik

Je ein Vertreter der zwanzig autonomen Großklöster des heiligen Berges sitzt im Rat der heiligen Gemeinschaft des Athos. Jahrum stellen je andere vier die Athosregierung dar, der Erste aus diesen heißt Pro- tepistates, ist sozusagen der Präsident der Mönchsrepublik. Der griechische Staat hat beim Rat der heiligen Gemeinschaft einen Repräsentanten, der aber sich nur in die Außenpolitik mischt, außerdem ein Postamt, eine Zollstation, einen Fremdenpolizeiposten. Sonst gehört alles auf Athos in das Gebiet eines der 20 Klöster.

Orden und Kongregationen wie im Westen kennt das morgenländische Mönchtum nicht. In dem einen, allgemeinen Mönchsstand sind die mannigfachen asketischen Lebensformen mit vielen Unterschieden und Abstufungen erhalten. Nicht das Gesetzbuch einer Regel, als vielmehr die idealen Vorbilder, die geistliche Vaterschaft, die persönliche Eignung und Reife bestimmen den mönchischen Weg. Auf Athos haben sich die verschiedenen Spielformen des Mönchtums des ersten Jahrtausends im zweiten Jahrtausend bewahrt und bewährt.

Lebensziel der Mönche ist das der Christen überhaupt: Heiligung der

Welt und Einung mit Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Das Leben der Urchristen war allgemein asketisch. Aus dem Blut der Märtyrer erwächst die Blüte der Kirche. Als zu Beginn des 4. Jahrhunderts unter Kaiser Konstantin die Kirche, anerkannt wurde, der christliche Glaube geachtet, statt geächtet, zogen sich viele eifrige Christen aus der christlich gewordenen Welt zurück, entsagten den bürgerlichen Kompromissen und suchten fernab der Zivilisation ein radikales Christsein zu verwirklichen. Sie lebten als Hüchtlinge in der Welt, ohne Besitz und Sicherung. Als Arme im Geiste pilgerten sie. Auch auf Athos begegnen wir Girovagen, Bettlermönchen, die umherziehen, im Freien wohnen, sich von Waldfrüchten nähren und gelegentlich einkehren in ein ummauertes Kloster zum Kirchgang. Die letzte Einsamkeit in Gott Wie sich dann im 4. Jahrhundert in Wüsten und Klüften Asketen festsetzten, um in äußerster Einsamkeit an einem Ort auszuhalten im Kampf, finden wir auch auf Athos in Höhlen und unzugänglichen Hütten Wüstenmönche; doch nur ganz Bewährten wird diese strengste Lebensform der anhaltenden Wachsamkeit bei geisti gem Tun in jahre- und jahrzehntelanger Einsamkeit gestattet.

Wir finden Klausnersiedlungen um ein Sonntagskirchlein gebaut, aus zerstreuten Hütten, in denen einzelne oder mehrere unter einem Altmeister (Geron oder Starez) leben. Der Vorsteher einer solchen Asketensiedlung heißt wie im alten Ägypten der Dikaios.

Wir finden wie in den alten Lauren in den neun großen idiorhytmischen Klöstern diese kleinen Mönchsfamilien in einer Ummauerung um ein Katholi- kon, eine allgemeine Gemeindekirche, zusammengefügt, durch einen Ältestenrat verwaltet, im Inneren aber recht bunt.

Und in den elf großen Koinobien finden wir unter einem Hegumenos monarchisch regierte Mönchsgemein- den, in denen allen alles gemeinsam ist, und die durch ihre schöne Ordnung und Einheitlichkeit auffallen. Außer den griechischen Mönchssiedlungen bestehen russische, serbische, bulgarische, rumänische; früher waren da noch georgische und albanische. Die Gottesdienste werden also griechisch oder slawisch oder rumänisch gefeiert, oft bis zu neun Stunden am Tag. Die Kuppelkirche im Klosterhof steht immer frei (im Gegensatz zu lateinischen Klosterkirchen). Die Tra- peza ist neben dem Katholikon der einzige gemeinsame Raum (es gibt keinen eigenen Kapitelsaal). In das durch hohe Mauern und Türme umwehrte Kloster führt eine einzige Pforte.

Das Leben der Mönche ist arm.

Keiner äße je Fleisch. Aber der Schmuck der Kirchen ist reich: Böden aus buntem Gestein, Wände und Decken mit Fresken bemalt. Dieser Reichtum, die vielen wertvollen Ikonen, Kultgeräte, Handschriften und so weiter, hat manche Gelehrte den Athos „die byzantinische Schatzkammer“ nennen lassen. Denn viel hat der Athos in Jahrhunderten gesammelt, wenig preisgegeben.

Was den Athos aber zur Hochburg der orthodoxen Christenheit macht, ist die Überlieferung geistlicher Traditionen von Mönchsgeschlecht zu Mönchsgeschlecht, ist die Beständigkeit im geistigen Kampf, ist das unaufhörliche Gebet, das von den feierlichen kirchlichen Gesängen b:s zum Herzschlag der frommen Einsiedler, ja bis zum Rauschen der Blätter und zum Säuseln des Windes seit tausend Jahren die Landschaft erfüllt, eine gewaltige Kraft des Glaubens, in heiligem Frieden gereift. Ein Jahrtausend hat viel gewandelt im Antlitz der Erde, wenig aber in diesem abgeschiedenen Land. Für die Gläubigen ist entscheidend, daß sich hier im Verborgenen lebendig erhält, was anderswo die Unrast der Zeiten zerstört hat.

Dies seltsame Land, ohne Frauen und Kinder, ist bis heute eine lebendige geistige Macht.

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