6787568-1970_20_04.jpg
Digital In Arbeit

Kompetenzprestige

Werbung
Werbung
Werbung

Selbst Fachjournalisten haben die Absichten, die mit dem Gesetzentwurf über die Neuordnung des Wirkungsbereiches einigeF Bundesministerien und die Errichtung eines „Bundesministeriums für Wissenschaft und Kultur“, hinsichtlich der „Kulturellen Auslandsbeziehungen“ verfolgt werden, nicht verstanden. Während man versucht, die Forschungskompetenzen zusammenzuführen, werden die Zuständigkeiten auf dem Gebiet der „Kulturellen Auslandsbeziehungen“, die 1966 beim Unterrichtsministerium zusammengeführt wurden, nun neuerlich in makabrer Weise auf drei Ministerien aufgespalten.

Unter Angelegenheiten der „Kulturellen Auslandsbeziehungen“ sind seit 1966 die Auslandsbeziehungen auf dem Gebiet der Erziehung, der Wissenschaft, der Forschung, der Kunst, des Sports und (soweit es sich um Inlandsaufgaben handelt) auch der technischen Hilfe zu verstehen. \ In der Praxis sieht das so aus:

• Das Burgtheater soll über Einladung einer ausländischen Theateragentur ein Gastspiel im Ausland geben — eine Angelegenheit der „Kulturellen Auslandsbeziehungen“;

• die Albertina wird gebeten, einige wertvolle Stücke bei einer Sonderausteilung im Ausland zu zeigen — eine Sache der „Kulturellen Auslandsbeziehungen“.

• Ein österreichischer Hochschulprofessor wird zu einer Gastvorlesung nach Ägypten eingeladen: Angelegenheit der „Kulturellen Auslandsbeziehungen“.

• Ein österreichischer Bildhauer braucht staatliche Hilfe bei einer Ausstellung im Ausland — Angelegenheit der „Kulturellen Auslandsbeziehungen“.

Im neuen Entwurf heißt es nun: „Die Besorgung der Geschäfte der obersten Bundesverwaltung in den Angelegenheiten der „Kulturellen Auslandsbeziehungen“ obliegt dem Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Die Angelegenheiten der österreichischen Kulturinstitute und die Vorbereitung von Abkommen und innerstaatliche Durchführung auf den Gebieten Wissenschaft, Forschung und Kunst obliegt dem neuen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (?). Die Vorbereitung von Abkommen und die innerstaatliche Durchführung auf dem Gebiet der Erziehung und des Sports obliegt dem verbleibenden Unterrichtsministerium.“

Diese vorgeschlagene Regelung schlägt dem Grundprinzip der Verwaltungsreform ins Gesicht. Wie hat es im Entwurf zur Entflechtung der Kompetenzen so schön geheißen? „Eine den Grundsätzen der Verwaltungsökonomie entsprechende Regelung des Wirkungsbereiches muß Doppelkompetenzen grundsätzlich vermeiden und alle sachlich zusammengehörigen Angelegenheiten jeweils einem einzigen Bundesministerium zur Besorgung zuweisen.“ Welche Auswirkungen hat die neue Kompetenzregelung nunmehr • in der Praxis? Wenn das Burgtehater ein Gastspiel durchführen will, welches nicht in einem Abkommen vorgesehen ist, muß es sich art das Außenministerium wenden! (Nur der geringste Teil der Aufgaben ist durch Abkommen geregelt!) Dieses muß aber wieder das Bundesministerium für Wissenschaft und Kultur befragen, weil die Bundestheater zu diesem Ministerium gehören. Bliebe die Kompetenz in einer Hand, dann wäre diese Doppelbefassung vermieden. Denn die Sektion für „Kulturelle Auslandsbeziehungen“ hatte auch das Recht, mit den Botschaften in Österreich und mit den österreichischen Botschaften im Ausland direkt zu korrespondieren. Auch dieses Recht wird ihr jetzt genommen. Nunmehr muß alles über das Außenministerium gehen. Auch im Falle Albertina darf sich die österreichische Vertretung nicht direkt an das zuständige Ministerium wenden, sondern muß wieder den Umweg über das Außenministerium machen. Genauso umständlich ist natürlich der Antwortweg.

Man kann die Aufzählung fortsetzen: Der Hochschulprofessor kann während des Studienjahres nur Gastvonlesungen im Ausland halten,wenn er vom Wissenschaftsministerium beurlaubt wird — also wieder eine Doppelbefassung. Besonders pikant wird die Situation für österreichische Bildhauer: Will ein Bildhauer staatliche Unterstützung und stellt er in einem Lande aus, in welchem ein Kulturinstitut besteht, kann er sich an das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (?) wenden. Will er aber in einem Lande ausstellen, in dem kein Kulturinstitut existiert, muß er sich an das Außenministerium wenden. (Dies ist sicherlich bei der größeren Zahl von Ländern der Fall.) Es wird sich wohl empfehlen, einen Zuständigkeitsführer für die österreichischen Wissenschaftler und Künstler herauszugeben, damit sie sich im Falle der Gesetzeswerdung dieses Prestigegesetzes einigermaßen zurechtfinden.

Völlig offen ist die Frage, wer im Außenministerium alle diese Kompetenzen wirklich wahrnehmen soll. Entweder gibt es unterbeschäftigte Diplomaten oder es müssen neue Kräfte aufgenommen werden. Dazu kommt, daß die Diplomaten von kulturpolitischen Fragen oft wenig verstehen, weil auch in den Ausbildungsgängen — wie etwa in der Diplomatischen Akademie derartige Fragen nicht behandelt werden. Die Kultur führt im Außenministerium ein Schattendasein neben den Hauptgebieten der Politik und der Wirtschaft. Eine Übersiedlung von Beamten des bisherigen Unterrichtsministerium in das Außenministerium ist im neuen Gesetzentwurf jedenfalls nicht vorgesehen. Besonders makaber — anders kann man es nicht bezeichnen — wird die Situation bei den wissenschaftlichen internationalen Organisationen. Auch für diese ist nach Schaffung des Wissenschaftsministeriums nunmehr das Außenministerium nach dem neuen Gesetzentwurf zuständig. Österreich wird also beim CERN in Genf nicht durch einen Atomphysiker, sondern durch einen Diplomaten des Außenministeriums vertreten sein.

Die Leidtragenden dieser Prestige-Regelung sind die Wissenschaftler und Künstler, und den Nachteil hat das kulturelle Ansehen Österreichs im Ausland. Als einzige Begründung für diesen Schritt, der dem Steuerzahler teuer zu stehen kommt, wird in den Erläuternden Bemerkungen erwähnt, daß damit das Konzept für ein „Groß-Außenministerium“ wieder zum Tragen komme. Man spricht von ausländischen Vorbildern und vergißt, daß in keinem Staat der westlichen Welt die Kultur in einem solchen Maße verstaatlicht ist und daß daher bei einer Übertragung von Kulturkompetenzen an das Außenministerium nur Doppelkompetenzen entstehen können. Niemand kann auch dafür Verständnis haben, daß nunmehr die gut arbeitende Sektion für „Kulturelle Auslandsbeziehungen“ einfach wegen eines Pre-stigevorteüs zerstört wird. Macht Kreisky also die gleichen Fehler wie Klaus?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung