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Kultura hin, Kultura her...

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Schon als Außenminister hatte Bruno Kreisky erkannt, daß Kultur nicht ein zierender Schnörkel, der harten Tatsachenwelt ist, sondern ein zwar heimlich, aber doch mächtig wirkendes Element des gesellschaftlichen Lebens; und eben deshalb auch ein Element von staatspolitischer Relevanz im allgemeinen und von außenpolitischer Relevanz im besonderen. In logischer Konsequenz dieser zweifellos richtigen Erkenntnis forcierte er, was seine Amtsvorgänger ziemlich vernachlässigt hatten: die Repräsentierung Österreichs dem Ausland gegenüber und im Ausland selbst auch durch Österreichs Kultur.

Traditionsgemäß freilich gehörte die Kultur mitsamt dem kulturellen Auslandsdienst ins Ressort des Unterrichtsministeriums, das schon 1881 in Rom seinen ersten Außenposten und seit 1950 eine Reihe weiterer Kulturinstitute installiert hat: von Paris bis Warschau, von New York bis Zagreb. Da anderseits aber an jeder größeren Botschaft ein vom Außenamt nominierter Kulturattache wirkt (und an kleineren Botschaften etwa der Handelsattache zusätzlich mit kulturpolitischen Agenden betraut ist), läuft östef^ reichs kulturelle Außenpolitik selbst beim besten Willen aller Beteiligten immer doch einmal zweigeleisig und andernorts leer.

Dieser nicht nur personell und finanziell, sondern auch im Effekt doch wohl unrationellen Praxis soll das kommende Kompetenzgesetz ein Ende bereiten, und das ist gut und richtig. Keineswegs gut und richtig ist aber der Plan, den kulturellen Auslandsdienst künftig vom Außenamt aus zu führen. Die dafür kompetente Stelle ist vielmehr das Bundesministerium für Unterricht und Kunst, natürlich in ständiger Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsministerium und in ständigem Kontakt mit dem Außen amt. Denn erstens einmal verfügt das Unterrichtsministerium sowohl über entsprechend geschultes Personal als auch über entsprechende Erfahrungen, während im Außenamt doch primär andere Interessen und Zielvorstellungen dominieren, denen gemäß die personelle Auslese erfolgt.

Der aus dem Studium der Rechte kommende Diplomat wird selbst dann, wenn er persönlich etwa die Künste liebt, in dem geisteswissenschaftlich gebildeten Kollegen doch irgendwie nur einen Dilettanten der Diplomatie erblicken, und zumindest bewußtseinsmäßig wird die Kultur-abteilüng des Außenamtes als fünftes Rad am Wagen empfunden werden; und der Kulturdienst als eine Art Abstellgeleise für anderweitig unbrauchbare Beamte. Die derzeit geradezu ideale Besetzung dieser Abteilung mit Botschafter Hartl an der Spitze sollte nicht über diesen Sachverhalt hinwegtäuschen.

Und zweitens erfordert die Führung des kulturellen Außendienstes ja nicht nur die Kenntnis jener Staaten, in denen man wirken will, sondern zuerst einmal intime Vertrautheit mit der ja sich ständig verändernden kulturellen Szene Österreichs. Diese Vertrautheit ist und bleibt im Unterrichtsministerium gegeben wie nirgendwo sonst, das also selbst dann, wenn es seine Auslandskompetenzen ans Außenamt abgetreten und seine bislang damit befaßten Beamten hergegeben hat, einen wesentlichen Teil der Arbeit zu leisten haben wird: nicht mehr federführend, sondern gewissermaßen im Pfusch.

Die umgekehrte Lösung empfiehlt sich weiters auch deshalb, weil vom Außenamt her durch dessen Organe im Ausland bereits ein Rahmen gegeben ist, den, soweit es die kulturelle Aktivität betrifft, das Unterrichtsministerium nur zu füllen braucht. Die zwar kostspieligere, aber optimale Lösung freilich wäre die völlige Preisgabe des Attache-Gedankens zugunsten des Institutsgedankens, und zwar aus mehreren Gründen:

Ein Charakteristikum des diplomatischen Dienstes ist die Rotation, auch in Verbindung mit der Karriere; der junge Jurist, der jetzt als Kulturattache in Ankara anfängt, will in zehn Jahren Generalkonsul in Düsseldorf sein, dann Gesandter in Prag, und dann Botschafter in Paris. Die Kulturarbeit braucht aber auch personelle Kontinuität — das seit vielen Jahren schon unter Professor Johann Erich Kasper hervorragend wirkende Institut in Istanbul kann da als Beispiel dienen. Die völlige Verlagerung der kulturellen Auslandstätigkeit von den diplomatischen Vertretungen weg zu den Instituten — und damit zur Gänze in die Regie des Unterrichtsministeriums — ist weiters auch deshalb ratsam, weil der Regierungssitz und damit auch der Sitz der Botschaft mitsamt dem Kulturattache keineswegs überall auch das Kulturzentrum des betreffenden Landes ist; man denke an Bonn, Bern, Ankara, Washington; und weil mitunter eine politisch zweitrangige Stadt — wie Zagreb — ein für Österreichs Kulturpolitik fruchtbarer Boden ist als die an sich ebenfalls interessante Hauptstadt.

Die Kettung der im kulturellen Auslandsdienst tätigen Organe an die diplomatischen Vertretungen und zuoberst an das Außenamt macht diese Organe abhängig von der Außenpolitik mit all ihren Zwängen, Vorbehalten und Rücksichten und nimmt ihnen, zumindest in gewissen Ländern und unter gewissen Umständen, jedwede Initiative und Flexibilität. In Israel etwa amtiert fast die ganze ausländische Diplomatie in Tel Aviv, weil eine Übersiedlung in die Hauptstadt eine De-facto-Anerkennung des Staates in seinen jetzigen Grenzen bedeuten würde; und also ist auch Österreich in dem geistigen und geistlichen Zentrum der Judenheit kulturell nicht direkt präsent, während ein vom Unterrichtsministerium installiertes Kulturinstitut in Jerusalem keinen Anlaß für politische Komplikationen abgeben würde. Ein Kulturinstitut, dem nicht der Geruch eines außenpolitischen Instruments anhaftet, wird weiter arbeiten können auch in Staaten, zu denen die diplomatischen Beziehungen vorübergehend oder auch gänzlich abgerissen sind.

Auch im Kompetenzgesetz geht es nicht bloß um Kompetenzen, sondern um Politik. Bei der ■Kompetenzregelung des kulturellen Außendienstes Österreichs besteht die beste Politik wohl darin, jedwede außenpolitsche Akzentuierung zu vermeiden.

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