EU will einseitige Partnerschaften

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Die neuen Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Entwicklungsländern - kurz EPAs genannt - traten 2008 nur teilweise in Kraft. Ein Update

Wir reden nicht mehr über EPAs, wir haben sie verworfen" - diese klaren Worte des senegalesischen Staatspräsidenten Abdoulaye Wade auf dem EU-Afrika Gipfel Anfang Dezember in Lissabon bildeten einen vorläufigen Höhepunkt in der Auseinandersetzung um die Gestaltung der EPAs (Economic Partnership Agreements/Wirtschaftspartnerschaftsabkommen). Sie machten deutlich, dass gerade viele afrikanische Politiker mit ihrer Geduld am Ende sind.

Seit Beginn der konkreten Verhandlungen über die neuen Freihandelsabkommen äußerten afrikanische Politiker und AKP-Verhandlungsführer ihre ernsthaften Bedenken gegenüber den europäischen Partnern: regionale Integrationsprozesse würden durch die EU-Forderungen eher unterminiert als gefördert; die Wirkungen der europäischen, oftmals subventionierten Exporte gerade auf kleinere Wachstumsindustrien und Kleinbauern in Afrika seien bei der geforderten Marktöffnung höchst schädlich und kontraproduktiv für eine an Armutsbekämpfung orientierte Handelspolitik. Am heftigsten aber setzten sich die AKP-Länder (Entwicklungsländer des afrikanischen, karibischen und pazifischen Raumes, die das Lomé-Abkommen mit der EU unterzeichnet haben) gegen die Öffnung des Dienstleistungssektors, die Liberalisierungen für ausländische Investitionen und gegen die Ausdehnung der Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums (TRIPs) zur Wehr.

Verhandlungen …

Die Bedenken konnten zwar vorgetragen werden, aber an der Haltung der EU änderte sich nichts. Im Gegenteil: Zum Ende der Verhandlungen, als sich abzeichnete, dass nur ein Bruchteil der 78 AKP-Staaten bereit sein würde, EPA-Abkommen zu unterzeichnen, drohte die EU unverhohlen mit der "Umschichtung" von Entwicklungsgeldern und der Erhöhung von Zöllen auf AKP-Waren für den europäischen Markt. Mit dem Rücken zur Wand sahen sich letztlich 18 afrikanische und zwei Pazifik-Staaten gezwungen, vorläufige Zwischenabkommen zu unterzeichnen, um kurzfristig den größten Schaden von ihren Ländern abzuwenden. Gleichzeitig verpflichteten sie sich, bis Ende 2008 umfassende EPAs abzuschließen. 15 Länder der karibischen Verhandlungsgruppe CARIFORUM paraphierten bereits ein vollständiges EPA, das unter anderem Regelungen für den Dienstleistungssektor und ausländische Investitionen enthält. Die Kritik an den Abkommen hält an: In einer gemeinsamen Erklärung der Afrikanischen Union (AU) im Februar diesen Jahres sprachen sich 54 Mitgliedsstaaten für eine Revision der Zwischenabkommen aus. Sie fordern die Einzelregionen Afrikas dazu auf, nur solche EPAs zu akzeptieren, die wirklich der regionalen Integration dienen. Auch die Botschafter der AU in Brüssel äußern den Wunsch, neu über die EPAs zu verhandeln.

… mit dem Rücken …

Sie hoffen, dass die EU endlich dazu bereit ist, die Verhandlungen an dem Leitziel einer nachhaltigen Entwicklung und regionalen Stärkung Afrikas auszurichten. Erste umfangreichere Analysen der vorläufig unterzeichneten Abkommen unterstützen diese Forderungen: Die Zersplitterung der einzelnen Verhandlungsregionen in kleinere Gruppen bis hin zu einzelnen Ländern (zum Beispiel hat in der Zentralafrikanischen Verhandlungsgruppe nur Kamerun ein Interim-EPA unterzeichnet, die übrigen sieben zur selben Gruppe gehörigen Länder fallen nun unter andere Handelsregime) verhindert die gerade gewollte regionale Integration. Zudem ist bis auf einzelne Ausnahmen jedes Land bzw. jede Gruppe andere Liberalisierungsverpflichtungen mit der EU eingegangen, wobei gerade einige der ärmsten Länder mit den geringsten Verhandlungskapazitäten die schlechtesten "Deals" gemacht haben: So muss die Elfenbeinküste bis 2012 bereits 60 Prozent ihrer gesamten Zolltarife auf EU-Importe abschaffen, während Kenia erst zwei Jahre später mit den ersten Zolltarifsenkungen beginnt. Viele AKP-Staaten beklagen, dass sie nicht ausreichende Klauseln zum Schutz ihrer Kleinindustrien und des Kleingewerbes und zudem keine Ausnahmeregelungen zur flexiblen Gestaltung der Zolltarife durchsetzen konnten, was bedeutet, dass einmal gesenkte bzw. abgeschaffte Zölle nicht mehr erhöht bzw. eingeführt werden dürfen. Und Mosambik hat, gemeinsam mit der Elfenbeinküste, am frühesten die höchsten Anpassungskosten und Einnahmeausfälle zu verkraften. Zolleinnahmen sind wichtige Einnahmequellen für die afrikanischen Staaten. Die EU dagegen ist in den Interim-Abkommen keine Verpflichtungen eingegangen: Es gibt weder schriftliche Zusagen zur Streichung von EU Subventionen noch verbindliche Zusagen zur Entwicklungsfinanzierung. Die AKP-Minister konstatierten treffend: Die merkantilistischen Interessen der EU haben Vorrang vor den Entwicklungs- und regionalen Integrationsinteressen der AKP-Staaten.

… an der Wand

Zivilgesellschaftliche Gruppen und Gewerkschaften fordern eine Rücknahme bzw. Neuverhandlung der bisherigen EPAs. In einem gemeinsamen Brief an den EU-Ministerrat im Mai dieses Jahres fordern sie eine umfassende Überprüfung und Folgenabschätzung der Interim-Abkommen, eine Ausklammerung der Bereiche Investitionen, geistige Eigentumsrechte, Dienstleistungen und Wettbewerbsregeln sowie ausreichend Zeit, um einen gesellschaftlichen Diskurs mit allen relevanten Akteuren in Nord und Süd über EPAs zu ermöglichen. Die EU aber strebt nach wie vor an, mit allen 78 AKP-Staaten bis Ende 2008 umfassende Abkommen abzuschließen. Es scheint, als hätte sie aus den vergangenen Monaten und Jahren nichts gelernt. Partnerschaftlicher Umgang miteinander sieht anders aus.

Der Autor ist Geschäftsführer der Koordinationsstelle der deutschen Stop-EPA-Kampagne.

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