Spielregeln für die Finanzmärkte

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Seit die amerikanische Notenbank ihre Strategie der Geldmengen-Expansion zurückfährt und Erwartungen auf steigende Zinsen weckt, flüchten Anleger aus den bisherigen Wachstums-Wunderländern der so genannten "Emerging Markets“. Besonders betroffen sind auf Kapital aus dem Ausland angewiesene Staaten mit hohen Leistungsbilanzdefiziten. Die Wechselkurse der betroffenen Volkswirtschaften brechen ein, und auch stark angehobene Zinsen können die Abwanderung der Gelder meist nicht mehr stoppen.

Die ein ganzes Jahrzehnt lang hoch geredete Ländergruppe BRIC (Brasilien, Russland, Indien, China) gilt mit einem Mal als neuer Gefahrenherd. Schon lenken findige Anlageberater die Aufmerksamkeit internationaler Investoren mit neuen Kunstbegriffen auf neue Ziele. Jim O’Neill, Chefökonom bei Goldman Sachs und seinerzeitiger Erfinder von "BRIC“, propagiert neuerdings "MINT“ als Sammelbegriff der doch reichlich heterogenen Volkswirtschaften von Mexico, Indonesien, Nigeria und der Türkei. Sie seien die aufstrebenden Sterne am Wachstumshimmel. Dass die Türkei schon wenige Monate nachdem er seine Wortschöpfung in die Welt gesetzt hatte, in die Riege der politisch riskanten Staaten absteigen würde, konnte er nicht ahnen. Wie wohl das nächste Kürzel lauten wird?

Die Verschiebungen von Finanzvermögen um den Globus haben immer weniger mit der Realwirtschaft zu tun und hängen immer stärker von kurzatmigen Investitionstrends ab. Obwohl die Totalliberalisierung der weltweiten Kapitalströme ohne adäquate Spielregeln die Finanzkrise zweifellos mit verursacht hat, bleibt sie ein unantastbarer Popanz.

Für "Gerechtigkeit und Frieden“

Die Expansion der vazierenden Geldmengen macht aus jeder größeren Stimmungsschwankung einen Krisenherd. Dazu kommt, dass hochfrequente Computerprogramme ohne menschliches Eingreifen bereits mehr als 60 Prozent aller amerikanischen Börsentransaktionen steuern. Ihre Geheimwaffe ist das Wissen um Kursentwicklungen, die sie selbst erzeugen.

Immer klarer wird, dass wir die Wirtschaftsordnung der Weltgesellschaft in Analogie zu den erfolgreichsten Wirtschaftsnationen nicht dem spontanen Marktgeschehen allein überlassen dürfen. Das gilt nicht nur für Mindeststandards im Sozialen und Ökologischen, sondern vor allem auch für die Finanzwirtschaft. Dazu bedarf es auch eines Neustarts der internationalen Organisationen, die zum Teil in Routine erstarrt sind und aneinander vorbei arbeiten.

Eine globale Ordnungsinstanz für das internationale Finanz- und Währungssystem ist aus eben diesem Grund die zentrale Forderung eines von Kardinal Peter Turkson, dem Vorsitzenden des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, erarbeiteten Thesenpapiers. Seine Überlegungen zu einem gemeinschaftlichen Mindestregelwerk für das Management des globalen Finanzmarktes sind höchst lesenswert. Seit kurzem liegen sie in einer ausgezeichneten deutschsprachigen Übersetzung vor, der ich viele Leser wünsche (www.iupax.at).

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