"Was ist Heimatkunst?", fragte Anton Kuh vor 100 Jahren, am 27. Juni 1918, auf Seite 1 des Prager Tagblatts und er antwortete gewohnt scharfzüngig: "Grätzl-Unkunst. Litera-Touristik. Amateur-Photographie in der Sommerfrische. Idealisierung des Misthaufens. Die sogenannte Kraft, die aus ihr quillt, ist das Harz der Beschränktheit." Peter Rosegger aber, so setzt Anton Kuh seinen Nachruf auf den am 26. Juni in Krieglach verstorbenen Autor fort (abgedruckt im Anhang der "Waldheimat"-Neuausgabe), war "ein Dichter", wenngleich ein "unkritischer, unscharfer Dichter, dem sein Volk zu nah und
Wenn Sklaverei nicht mehr durch formale Rechtssysteme legitimiert und institutionalisiert wird, bedeute dass noch lange nicht, dass sie nicht mehr existiert, so die These von Michael Zeuske. Es gebe nur Gesellschaften mit mehr oder weniger ausgeprägten Sklavereien, die Menschheitsgeschichte sei durch Sklavereien geprägt, "oft unter dem Dach von Imperien oder räuberischer Regimes bzw. militaristischer Menschenjagdgesellschaften. Meist aber [ ] verbirgt sich Sklaverei in der Tiefe der Geschichte in Häusern und Gebäuden ...". Zeuske spricht von Sklavereien im Plural, von "Slaving" als
Zwei Dinge hebt Ibram X. Kendi in seinem Prolog hervor. 1. Rassisten bezeichnen sich gerne selbst als nicht rassistisch. 2. Die These, Rassismus entstehe durch unwissende und hasserfüllte Menschen, ist einleuchtend, aber nicht belegbar. "Unwissenheit/Hass -> rassistische Ideen -> Diskriminierung: diese kausale Verknüpfung ist weitgehend ahistorisch." Eher sei es umgekehrt. Ethnisch diskriminierende politische Strategien kreieren rassistische Ideen und damit in Folge Unwissenheit und Hass. Diskriminierende Praktiken werden aus bestimmten Interessen eingeführt. Und rassistische Ideen haben
"Alles war verheißungsvoll. Alles war im Aufschwung. Alles war ein Traum." So fühlte es der Journalist Ta-Nehisi Coates im Jahr 2008. Barack Obama sieht er direkt verantwortlich für den Aufstieg einiger schwarzer Autoren und Journalisten, sie wurden während dessen Amtszeit erst bekannt. Talentiert waren sie schon zuvor, aber sie hatten kein Feld, auf dem sie ihr Talent zeigen konnten. Erst Obama, der schwarze Präsident, eröffnete es ihnen.Acht Jahre später eine ernüchternde Bilanz und ein Präsident, für den Rassismus nichts mehr ist, das "euphemistisch verpackt und glaubwürdig
Als Mädchen muss sie zusehen, wie sich die Polizei ihre Brüder vorknöpft und grob und demütigend anfasst. Ihre Brüder werden darüber "auf eine Weise schweigen, wie man das von Vergewaltigungsopfern kennt". Nie werden sie darüber reden, was "ihnen durch den Kopf geht, nachdem sie sich auf offener Straße halb nackt ausziehen mussten und ihre Kindheit auf den Boden geworfen und in den Beton getreten wurde". Dem Vorfall werden viele weitere folgen. Alltägliche Aktivitäten können als illegal abgestempelt werden, so weit sind die Definitionskriterien für Gangs gefasst, der
Nicht nur Komponisten wie Olivier Messiaen ließen und lassen sich von Vögeln faszinieren und inspirieren, auch die Literatur gab und gibt ihnen reichlich Platz. "Vögel in der Literatur gibt es, scheint's, seit es Literatur gibt", meint die österreichische Schriftstellerin Teresa Präauer. Ihr Interesse am Vogel als Denkfigur hat sie selbst bereits in einer literarischen Arbeit gezeigt, die 2009 in der Edition Krill erschienen ist. "Taubenbriefe von Stummen an anderer Vögel Küken" hieß der wundersame Titel und das Buch war kein Buch, sondern bestand aus 15 Text- und 15 Bildkarten,
Sie lebte eltern- und heimatlos eine Zeit lang sogar auf der Straße, bis sich die 17-Jährige zur "Amateur Night" im Apollo-Theater von Harlem traute, um dort vorzutanzen. Talente wurden an diesem Ort entdeckt, doch er war auch berühmt-berüchtigt für das kritische Publikum, das Künstlerinnen und Künstler mit Schimpf und Schande von der Bühne jagte, wenn das Dargebotene nicht gefiel. Im letzten Moment entschied Ella Fitzgerald sich anders - sie tanzte nicht, sie sang. Damit begann ihre Karriere als Sängerin.Zu einer Reise durch Ella Fitzgeralds Leben und Musik lud das Jazzfest Wien an
Eine Woche lang wird - seit nunmehr 11 Jahren -ganz Wien zur Kunststadt, wenn sich im Rahmen der "Vienna Art Week" 90 Partner zusammentun - Museen, Galerien, Ausstellungshäuser, Kunstuniversitäten und Künstlerinnen und Künstler -, um ihre Aktivitäten vorzustellen.Das Thema dieses Jahres, "Seeking Beauty", die Suche nach dem Schönen, scheint weit weg zu führen von drängenden politischen Fragen und Diskussionen, doch schon in der Pressekonferenz am Montag Vormittag wurde deutlich, wie sehr die Frage nach der Schönheit auch eine politische ist. Die Idee von Schönheit, betonte Elisabeth
Wann er als Sohn eines Wundarztes in Alcalá geboren wurde, weiß man nicht. Sicher ist, dass er am 9. Oktober 1547 getauft wurde. Als 22-Jähriger floh er nach einem Duell aus Spanien. "In der Seeschlacht von Lepanto zeichnete er sich durch Tapferkeit aus, doch seine linke Hand wurde zerschmettert. Er geriet in Gefangeschaft bei Berberkorsaren, unternahm tollkühne Fluchtversuche und arbeitete nach seiner Freilassung kurzzeitig für den Nachrichtendienst König Philipps II." Er wurde exkommuniziert und landete mit Mordanklage im Gefängnis: Cervantes' Leben, das Uwe Neumahr in seiner
Wenig weiß man von ihm, Texte von ihm gibt es keine. Sicher ist, dass Jheronimus van Aken im August 1516 in seiner Geburtsstadt s'Hertogenbosch zu Grabe getragen wurde. Wo dieses Grab liegt, ist allerdings auch nicht bekannt. Vielleicht war er 65, als er starb, vielleicht auch jünger. Er lebte in s'Hertogenbosch, war Mitglied der elitären "Lieve Vrouwe Broederschap", die auch die Kosten für sein Begräbnis beglich, und lebte mit seiner Frau Aleid van der Mervenne am Marktplatz in s'Hertogenbosch. Auf seinen Geburts-und Wohnort verweist der Name Bosch -"Johannes auf Patmos" scheint das
Die Reden und Essays des 1952 in Bonn geborenen Literaturwissenschaftlers, Gewaltforschers und Vorstands der Arno-Schmidt-Stiftung sind nun in der dreibändigen Ausgabe seiner "Schriften zur Literatur" zusammengetragen. Arno Schmidt ist der gesamte zweite Band gewidmet, Band 1 kümmert sich um "Homer, Shakespeare, Wieland und andere Zeitgenossen" und Band 3 führt mit literarischen Endspielen von Karl Kraus bis Walter Kempowski in die Literatur der Gegenwart, bis hin zu Stephen King: "Es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende, aber da ist immer noch ein Text, der das Weiterreden lohnt." Der
Dada sei eine Reaktion auf den Ersten Weltkrieg und auf die Bankrotterklärung einer Kultur, die ihn möglich machte", beschreibt Martin Mittelmeier einen aus seiner Sicht völlig plausiblen Dada-Erklärungsreflex. "Doch je näher man den einzelnen Protagonisten und ihrer Geschichte kommt, desto vielschichtiger wird die Bewegung. Und desto spannender: Weil Dada so viele und so unterschiedliche Biografien, Interessen und Ausprägungen von Talent aushalten muss, ist das unter dieser Bezeichnung versammelte Ringen mit den Verheißungen, Zumutungen und Abgründen der damaligen Zeit so intensiv, so
Dieser Ich-Erzähler beginnt zwar bei seiner Zeugung, aber man muss drei Bände lesen, bis man bei seinem ersten Lebenstag landet. Eine zackige Fieberkurve ist dieses Erzählen, Abschweifung über Abschweifung, klug, pointiert und unterhaltsam. Die neun Bände von Laurence Sternes "Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman" erschienen zwischen 1759 bis 1767 und sind immer noch frisch. Kann man so ein irrwitziges Werk mit dieser ungewöhnlichen Interpunktion vorlesen? Man kann. Und wie! Sogar gestrichene Seiten werden hörbar, und Szenen, Gesprächsfetzen, Leser-Anreden und Kommentare
Zu Weihnachten kommt die Familie zusammen, die 76-jährige Mutter hat angekündigt, das Haus zu verkaufen. Ihre vier erwachsenen Kinder finden sich ein. Anne Enrights Kunst erweist sich in der Weise, wie sie sich schreibend diesem Treffen nähert, das erst gegen Ende stattfinden wird. Einzelgeschichten wenden sich der jeweiligen Person zu - dem schwulen Sohn, der Priester werden wollte; der alkoholzugeneigten Tochter; der Tochter mit Brustkrebs; dem Sohn, der aus Afrika zurückgekommen ist. Die Momentaufnahmen aus unterschiedlichen Zeiten und Regionen lassen nur blitzlichtartig die Problematik
Künstler werden gebraucht: für Ausstattungszwecke, als Reputationsbeschaffer, als Produktveredler, als Bedeutungsgaranten. Die Wiederkehr der Auftragskunst nennt das Hanno Rauterberg - und er spricht zugleich deren Gegenbewegung an, die sozialen Wandel intendiert. Alles in allem scheint der "mal sozial, mal ökonomisch" definierte Zweck die Mittel zu heiligen. Die Kunst mache dabei "nicht unbedingt den besten Eindruck". Rauterbergs Beitrag eröffnet das aktuelle Kursbuch, das fragt, was Kunst macht. Der Bogen reicht vom Verhältnis von Kunst und Wahrheit über Kochkunst, Wahrnehmungsgrenzen
Das Rauschen übertönt fast die Stimme. In der Einleitung vor seiner Lesung im Jahr 1931 erklärt Literaturnobelpreis träger William Butler Yeats, dass Gedichte nicht als Prosa zu lesen sind. "I will not read them as if they were prose." Wer nicht um die nahe Verwandtschaft von Lyrik und Gesang wusste, hört sie spätestens, wenn Yeats mit der Lesung seiner Gedichte dann beginnt, besser: mit dem Gesang seiner Gedichte. Auch Dylan Thomas scheint Yeats Lyrik zu singen, beeindruckend auch der Vortrag von Cyril Cusack und Siobhan McKenna. Auf der zweiten CD lesen Bibiana Beglau, Burghart
Franz Werfels monumentaler Roman "Die vierzig Tage des Musa Dagh" erzählt den perfekt organisierten Massenmord am armenischen Volk nicht als Phänomen, das aus einer unzivilisierten Barbarei entstand, sondern ganz im Gegenteil als Resultat der Modernisierung der westlichen Welt und ihrer gefährlichen Frucht: des Nationalismus. Sein Roman erschien 1933, im Jahr von Hitlers Machtergreifung, und erhielt dadurch eine Bedeutung, die geradezu prophetisch auch Gegenwart und Zukunft Deutschlands betraf. Liest man heute den osmanischen Erlass "Das Ziel der Deportationen ist das Nichts", erkennt man
Ein letzter Gedanke, der zurückfliegt "in die Lücken der türkischen Geschichtsbücher": Davon erzählt "Das Märchen vom letzten Gedanken" von Edgar Hilsenrath - und sein Märchen ist zwar, wie Hilsenrath es selbst einmal bezeichnet hat, "Poesie mit schwarzem Humor", aber es führt zurück zu den ganz konkreten Gräueltaten des Jahres 1915, als osmanische Behörden beschlossen, das armenische Volk auszulöschen. Edgar Hilsenrath, der selbst das Ghetto Mohyliw-Podilskyj überlebt hat und in seinen Romanen "Nacht" und "Der Nazi & der Friseur" satirisch vom Überleben erzählte, sieht den
Assia Djebar beschrieb die Eroberung Algeriens als Vergewaltigung: "Afrika wird trotz seines Widerstandes genommen", es hat noch viele Jahre nach der Einnahme von Algier "geschrien". Dem Schrei entspricht das Schreiben als Akt des Widerstandes, des Öffentlichwerdens, des Aufbegehrens. Djebar schrieb auf Französisch, einerseits die Sprache der Eroberer, andererseits für sie als Frau aber auch die Sprache der Befreiung. Djebars Muttersprachen waren der kaum geschriebene arabische Dialekt Algeriens, die Sprache "der Liebe, des Leidens und auch des Gebets", sowie die ebenfalls nur gesprochene
Es beginnt wie eine harmlose Mädcheninternatsgeschichte: An der Schule zur Heiligen Jungfrau vom Nil in Nyaminombe wird die weibliche Elite des Landes ausgebildet und die Quote sieht zehn Prozent Tutsis vor. Dass der Segen des Priesters und der Schutz der Heiligen Jungfrau vom Nil nicht für alle gilt, ahnt man bald, auch die unterschwellige Gewalt. Im Archiv der Schule finden sich Fotos von Stammesführern, die mit roter Tinte durchgestrichen worden sind. "Erst ein Strich, dann ein Schlag mit der Machete ... und weg sind die Tutsi", sagt ein Mädchen lachend zu einem anderen, und dieses
"Ich konnte in der Vergangenheit und kann bis heute mit den Texten Trakls nicht viel 'anfangen'", gibt Hans Raimund zu: "das beschränkte, repetitiv verwendete Vokabular, die Ein-Tönigkeit der düsteren Grundstimmung, die mich als kokett berührende Stilisierung von Dunklem, Abgründigem, Anrüchigem, auch ein gewisses, für mich spürbares heroisches Selbstmitleid und ein bewusstes Inszenieren von Ängsten ... - all das - und das ist eine subjektive Reaktion und keineswegs ein Werturteil -hat mich bis heute gehindert, dem Dichter Trakl in meiner Lese-und Literaturwelt einen Platz
"Du hast keine Geschichte, weil du, auch wenn du auf der Straße gehst, niemanden siehst, der dich kennt", erinnert sich der Schriftsteller Dimitré Dinev an seine ersten Erfahrungen in der Fremde. Vom Ankommen in einem Territorium, in das man seinen Fuß setzt, bis zum Ankommen in einer Gesellschaft als "funktionierendes Rädchen"(Michael Stavaric), mit der Möglichkeit, nicht mehr auf der Schwelle zu stehen, sondern "einen solchen Platz einzunehmen, der einem sowohl das Beobachten als auch das Kommentieren ermöglicht" (Julya Rabinowich), ist es oft ein weiter Weg. Nicht selten endet dieser
LebensgedichtePeter Härtling, der bekannte Autor von Romanen, Gedichten und Kinderbüchern, der am 13. November seinen 70. Geburtstag feiert, fungiert für den Band "Lebensalter" als Herausgeber. Gesammelt hat er Gedichte "von der Wiege bis zur Bahre", zu den jeweils unterschiedlich geprägten Lebensphasen. Poesie über Herausragendes wie der Geburt eines Kindes und schlicht Alltägliches wie das Bier am Abend, über Abgründe wie den Tod und Höhenflüge wie die erste Liebe - geschrieben von deutschsprachigen Dichterinnen und Dichtern aus allen Zeiten.LebensalterGedichte. Hg. v. Peter
Man muss nicht nach Kenya reisen, um Wildnis erleben zu können. Auch Österreich bietet Nationalparks, die sich sehen lassen können.Zwei Bildbände machen Gusto auf Natur pur.Kräftiges Herbstrot, Rauhreif auf Schilfgras, Sonnenaufgang auf Berggipfeln, schneeumsäumte Bachläufe - schon die ersten Seiten lassen wieder einmal über die Vielfältigkeit staunen, die Österreichs Natur zu bieten hat."Wildnis in Österreich" heißt das wunderschöne Buch und die Frage, ob ein so kleines Land wie Österreich überhaupt noch eine Wildnis haben kann, wo doch alles schon durch der Menschen Hand