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„Kindergarten-Gipfel": Länder kontra Bund

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Am 10. März treffen Bundesregierung und Ländervertreter erneut zusammen, um über die flächendeckende Einrichtung von Kinderbetreuungsplätzen zu verhandeln.

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Am 10. März treffen Bundesregierung und Ländervertreter erneut zusammen, um über die flächendeckende Einrichtung von Kinderbetreuungsplätzen zu verhandeln.

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Wieviele Kindergärten und -krippen braucht Österreich wirklich? Über dieses scheinbar simple Rechenmodell sind sich die Koalitionsparteien in Form von Frauenministerin Dohnal und Familienministerin Maria Rauch-Kallat seit Jahren nicht einig. Ausgehend von einem errechneten Versorgungsniveau, nämlich 20 Prozent bei den „Null- bis Dreijährigen" und rund 85 Prozent bei den Drei- bis Sechsjährigen, fehlen nach Dohnais Vorstellungen zur Zeit 63.000 Kindergartenplätze und 47.000 Krippenplätze beziehungsweise Plätze bei Tagesmüttern.

Das Familienministerium hingegen verweist auf 36.000 fehlende Kindergartenplätze und rund 48.000 fehlende Kinderkrippenplätze. Das Frauenministerium argumentiert, daß Kinderbetreuungseinrichtungen die Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind, die damit eine Berufstätigkeit der Eltern ermöglichen. Diesem flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuungsangebote (Dohnal-Plan) widersprechen aber die Länder und Gemeinden, in deren Kompetenz die Sachpbiete Kindergärten und -krippen allen. Im FuRCHE-Gespräch plädiert Vorarlbergs Sozial-Landesrätin Elisabeth Gehrer (ÖVP) nicht nur für flächendeckende, sondern vor allem für „bedarfsorientierte und flexible Kinderbetreuungsangebote", da der Dohnal-Vorschlag den „regionalen Bedürfnissen" nicht Rechnung trage. Auch das geplante österreichweit einheitliche Versorgungsniveau wie auch die geplante Verpflichtung zum Offenhalten von 7 bis 18 Uhr gingen, so Gehrer, an den tatsächlichen Bedürfnissen vorbei. Zudem seien - mit der Ausnahme von Niederösterreich ~ nicht die Länder, sondern die Gemeinden die Kindergartenerhalter, kritisiert Gehrer. Gewiß seien „Verbesserungen notwendig, aber nicht auf dem Rücken der Länder und Geaieinden allein, .damit lassen sich die Länder nicht abspeisen", mahnt Gehrer über den Arlberg nach Wien.

GELD & IDEOLOGIE

Letztlich ist der „Streit um die Kinder" auch eine ideologische Sache. Das Familienministerium verweist auf die innere Widersprüchlichkeit des Dohnal-Plans. Denn mit der Einführung des zweiten Karenzurlaubsjahres habe man es den Müttern und Vätern ermöglicht, zuhause bei den Sprößlingen zu bleiben. Nun sollen auch, geht es nach dem Willen Dohnais, diese - im Fach-Jargon „Null- bis Dreijährigen" - in den Kindergarten gehen können.

Ein weiteres Hauptproblem ist die Finanzierungsfrage. Denn seit Herbst 1992 ist es Dohnal noch immer nicht gelungen, die Länder zu einer Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Artikel 15a Bundesverfassung zwischen Bund und Ländern über gemeinsame Maßnahmen für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zu bewegen.

^aut vertraulichem Bericht Dohnais an den Ministerrat vom Jänner dieses Jahres sollte jetzt das Veto der Landeshauptleute etwas aufgeweicht werden. Denn plötzlich kann sich „der Bund unter gewissen Voraussetzungen an der Finanzierung der Betreuungseinrichtungen beteiligen". Hintergrund dieser unerwarteten Entspannung zwischen Finanzminister Lacina und den überwiegend schwarzen Landeshauptleuten ist ein Tauschgeschäft zwischen den Koalitionsparteien: Geht es nach den Vorstellungen der Frauenministerin, bekommen die Landeshauptleute die neu zu schaffenden Kinderbetreuungseinrichtungen vom Bund mitfinanziert und beteiligen sich dafür „bei der Finanzierung der Nachmittagsnbetreuuung von Schulkindern". Das Nein der Landesfmanzreferenten ist somit aber gewiß wie das Amen im Gebet: Denn die Kostentragungspflicht in bezug auf Personal und Räumlichkeiten läge - nach Dohnais Vertragsentwurf - ausschließlich bei den Ländern. Das Frauenministerium rechnet intern mit zusätzlichen 16.000 „professionellen Betreuungspersonen ‘ und bei Ausweitung auf Ganztagsbetrieb mit weiteren 2.000 Betreuerinnen. Geplante Personalkosten für die finanzgeplagten Länder: 14 Milliarden Schilling jährlich. Somit dürfte das Pokern um die Kindergärten auch nach dem Gipfelgespräch am 10. März weitergehen.

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