Auf der Schleimspur surfen

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Es soll Schauspieler geben, die Kritiken nicht lesen. Ich gehöre nicht dazu, denn mich interessiert immer, wer was über meine "Arbeit" schreibt. Noch dazu bin ich einer, der alles in allen Zeitungen liest, weil - no ja, man muss ja informiert sein und soll nicht einseitig beträufelt werden.

Wenn mich was besonders freut, belustigt, ärgert oder erzürnt, dann schneid' ich es aus und heb' mir's auf. Das Resultat? Erstaunliche Wendemanöver und erschreckende Vergesslichkeit vieler Personen der sogenannten Top I Klasse. Ich schreib "Personen", denn Persönlichkeiten findet man unter den Wendekapazundern recht selten. Die Vize-Susi hat sich zwar den Ausdruck "Figuren" verbeten, aber mir schient er für viele angemessen. (Nicht Schach! Eher Witz! sei nebenbei bemerkt.)

Was Persönlichkeit verleiht, wie sie wirkt und beeindruckt, das konnte man bei einer Veranstaltung in Wien bestaunen. Da diskutierten Heide Schmidt, Robert Menasse und Lord Ralf Dahrendorf. Keine eingetrichterten Schnellsprechübungen, kein verhunztes Westen-Taschl-Deutsch - nein, klare Worte, klare Gedanken, klare Ziele. Es hat wohl getan, gebildeten, kultivierten Menschen zuzuhören.

Wenn man dann wieder in die "Normalwelt" tritt, dann schauert es einen, und es rieselt einem kalt über den Rücken. Da sind die so genannten Kunstkritiker, die einen die Leere fühlen lassen, die nicht nur in ihren Köpfen ist, sondern auch die, die durch den Tod von Weigel, Torberg, Rismondo und Tassie entstanden ist. Die Kritik ist der "Kunstbetrachtung" unseligen Angedenkens gewichen. Aber, war es anders zu erwarten? Merkt denn niemand, wohin das Papierschifferl segelt? Die Schließung des Kulturinstitutes in Paris ist nur ein kleines Teilchen des Mosaiks der Schande. Ob ORF, Bund, Staatsbetriebe - die Tendenz ist mit Boxhandschuhen greifbar. Statt dass jeder seinen Verstand privatisiert, wird das mit der Kultur getan. Wissenschaft, Bildung, Kunst - lauwarmer Eintopf, der wie eine Biertisch-Suppe stinkt.

Da geht es nicht um die Farbenlehre, sondern um: gut oder schlecht, Wissen oder Dummheit. Und um unser Ansehen in der Welt. Rückgrat verbiegen, Buckerl machen und auf der Schleimspur surfen - das darf nicht zur österreichischen Lebensart werden. Dies zu erkennen, ist unsere letzte Chance.

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