Es heißt, dass das Wort im Anfang war

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Religion kann die Literatur heute nicht mehr instrumentalisieren. Ein neuer Essayband zeigt: Das Zueinander ist aber keineswegs einfacher geworden.

Es gibt die Berührungspunkte. Manche meinen, Religion habe mit Literatur viel am Hut und Literatur komme ohne Religion bzw. deren Versatzstücken nicht aus: Die Schriftreligionen, also auch das Christentum, spielen auf der Klaviatur der Sprache. Nichts anderes tut die Literatur.

Dennoch ist das Zueinander von Religion und Literatur keineswegs klar: Seit die Zeiten vorbei sind, in denen die Kirche jede Art von Kunst ausschließlich als zur höheren Ehre Gottes definiert und instrumentalisiert hat, ist auch das Verhältnis von Religion und Literatur gebrochen. Man kann das an einigen Linien festmachen: Wiewohl unbestreitbar ist, dass in den Texten und Liedern der Bibel Literatur vorliegt, verwahrt sich letztere mit Recht dagegen, bloß als Lebens- und/oder Glaubenshilfe angesehen zu werden.

Ein Dialog zum Thema

Mag es etwa das Anliegen des biblischen Psalmisten sein, alle Spielarten und Anfechtungen menschlicher Existenz zur Sprache und vor Gott zu bringen, so kann Ähnliches auch einen Lyriker umtreiben. Aber die Usurpation seiner Worte und Sprache in diese Richtung ist nicht legitim. Umgekehrt können religiöses Reden und Denken nicht auf die Literatur verzichten. Die wechselseitige Standortbestimmung entpuppt sich aber als verwirrend. Heute mehr denn je.

Brigitte Schwens-Harrant, Leiterin des Literatur-Ressorts der FURCHE, und der deutsche Pastoraltheologe Jörg Seip haben zu dieser Thematik den Essayband "Der geplünderte Tempel“ verfasst. Einen Dialog zum Thema bieten die beiden Autoren an. Einer der Beiträge ist auch im literarischen Genre ein Dialog, dazu kommen je zwei Essays aus der Feder von Schwens-Harrant und von Seip. Beide betreiben im Übrigen auch die Internetseite www.literatur-religion.net, die allerlei Bedenkenswertes zu diesem Thema bereithält.

Der Band richtet sich vornehmlich an ein literaturwissenschaftlich wie theologisch versiertes Publikum. Die aufgeworfenen Fragen verweisen aber auf einen weitaus größeren Zusammenhang: Denn auch das oben angerissene Problemfeld zeigt, dass mit einfachen Bestimmungen hier wenig zu holen ist. Schon der Titel des Buches lässt das erahnen. Auch die erweiterte Feststellung: "Literatur gibt es immer nur als geplünderten Tempel“, kann als Motto des angesprochenen Dialogs verstanden werden. Und scheint hier zu überraschender Konsequenz zu führen. So kritisiert Schwens-Harrant die Einleitung einer Anthologie "Gedichte zur Bibel“, in welcher der Herausgeber sich gegen die "bloße Verzweckung literarischer Texte“ verwahrt: "Vorschnelle Funktionalisierungen und Einengungen der literarischen Texte sind unbedingt zu vermeiden, schon deshalb, weil sie die tiefer gehenden religionspädagogischen Möglichkeiten verstellen.“

Schwens-Harrant hält solches Plädoyer aber für blanken Schein und nichtigen Trug. Sie kontert: "Warum schreibt der Autor als Vorwort nicht einfach ein eindeutiges Plädoyer für die theologische Verzweckung von Literatur?“ Und Dialogpartner Jörg Seip pflichtet ihr bei: "Die Formulierung, Plädoyer für die Verzweckung‘ gefällt mir sehr.“

Gegen den Strich des Mainstreams

Solche Überraschungen und Bürsten gegen den Strich mancher Mainstream-Auseinandersetzung hält der Band bereit. Bei den einzelnen Essays besticht Schwens-Harrants religiöse "Einordnung“ zeitgenössischer österreichischer Literatur. Bezeichnend dabei - und das vorhin Ausgeführte bestärkend - ein Zitat von Peter Henisch für ein gegenseitiges Verständnis von Literatur und Religion: "Wenn es heißt, dass das Wort im Anfang war: das ist doch etwas, was die Literatur interessieren müsste.“ Neben Henisch analysiert Schwens-Harrant die - allzeit präsente - Religion bei Josef Winkler, aber auch bei Franzobel sowie Norbert Gstrein. Nicht minder informativ ihre unter dem Titel "Wie tauft man richtig?“ angestellten Überlegungen zu "Religion in literarischen Texten“, wo sie nicht zuletzt auf Arnold Stadlers "Salvatore“ oder Sibylle Lewitscharoffs Romane ("Consummatus“ 2006, "Apostoloff“ 2009“) eingeht.

Auch anderswo präsent

Letztere werden auch in der jüngsten Ausgabe der Stimmen der Zeit (März 2012) analysiert. Dass die renommierte, von den Münchner Jesuiten herausgegebene Zeitschrift dies aufgreift, zeigt, dass die im "Geplünderten Tempel“ diskutierte Problematik auch anderswo präsent ist. Es geht in den jüngsten Stimmen der Zeit zwar nur um diese eine Schriftstellerin.

Lewitscharoff wird hier aber gegen eine Vereinnahmung durch den "Feuilleton-Katholizismus“ in Schutz genommen: "Nichts könnte dieser diskreten Autorin fremder sein und ferner liegen als die modischen Glaubensverrenkungen von Schriftsteller-Kollegen wie Martin Walser oder Martin Mosebach. Sie hat nichts gemein mit Walsers so eitel wie penetrant zur Schau gestelltem Greisen-Flirt mit dem Glauben (,Mein Jenseits‘) oder mit Mosebachs erlesenen präkonziliaren Rückständigkeiten und preziösen anti-modernen Ressentiments (,Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind‘).“ Übrigens: Die solches in den Stimmen der Zeit von sich gibt, ist auch kein No-Name: Die zitierte literarisch-religiöse Philippika stammt aus der Feder von Sigrid Löffler.

Der geplünderte Tempel

Ein Dialog,

von Brigitte Schwens-Harrant und Jörg Seip, Klever 2012

144 Seiten, kt., Euro 15,90

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