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Heimkehr über ein neues Europa

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Die Wandlungen und Neuformungen, die sich im geistigen Raum der Sudeten deutschen vollziehen, werden durch die augenfälligen Erscheinungen physischer Not und Bedräng’- ttis der Heimatvertriebenen oft überschattet und finden dadurch nicht die ihnen gebührende Würdigung. Eine Tagung, die in Ingolstadt stattfand, vermittelte nun un- gemein aufschlußreiche Einblicke in die Entwicklungen, die sich in diesem Bereich seit geraumer Zeit vollziehen. Sie versammelte die Mitglieder der „Ackermanngemeinde“, die Persönlichkeiten vom kirchlichen (Father E. Reichenberger) bis zum sozialistischen Bereich (Wenzel Jaksch) umfaßt, und zeigte die Gemeinsamkeiten und die sich vollziehenden geistigen Annäherungen im sudetendeutschen Lager auf.

Überaus bedeutungsvoll war in diesem Sinne das Referat des Führers der sudetendeutschen Emigration in London während des zweiten Weltkrieges Wenzel Jaksch. „Die Welt ist heute in einem schweren Siechtum“, führte Jaksch aus, „der Mensch ist Sklave der Macht, man erwartet alles von der Technik. Wirtschaftlich und politisch hat ganz Europa den zweiten Weltkrieg verloren. Die christliche Ethik allein kann das Sozialgefüge Europas retten. Wir Sozialdemokraten sind schuldig geworden, daß der Großteil der Arbeiterschaft das christliche Kulturerbe verloren hat. Wir müssen aus den falschen Frontstellungen herauskommen. Jeder muß mithelfen, die antisozialistische Stellung in den christlichen Gemeinschaften und die antichristliche Stellung in den sozialistischen Gemeinsdiaften zu überwindA. Trotz ,Feind hört mit ist in der Politik die Selbstkritik, ja auch ein Schuldbekenntnis notwendig. Der Regionalismus des Sudetendeutschen machte ihn blind für die europäischen Zusammenhänge.

Der Protest gegen den Tschechen warf ihn blind dem Nationalsozialismus in die Arme.

Der Westen will nicht eine achtzig Millionen umfassende Menschenmacht gegen sich haben. Die Heimkehr der Sudetendeutschen führt nur über eine Reeuropäisierung von Mittelund Osteuropa. Das neue Europa muß aus der religiösen Kraft des Christentums und dem säkularen Humanismus aufgebaut werden. Nur aus dem rechten Geiste werden die rechten Staatsfonmen geboren. Die anderen werden uns Sudetendeutschen nur soviel helfen, als wir zur Gesundung Europas beizutragen vermögen."

Mit diesen Gedankengängen berührten sich weithin die Ausführungen des bekannten Schriftstellers und Führers seiner Heimatgenossen in Amerika, Father E m a n u e 1 Reichanberger, eines der hervorragendsten Sprecher und Anwälte der Sudetendeutschen im Auslande: „Amerika glaube", führte Father Reichenberger aus, „noch heute an eine Kollektivschuld des deutschen Volkes. Die Sudetendeutschen seien durch die gründliche Arbeit der tschechischen Emigration besonders schwer belastet. Für die Masse der Politiker gebe es noch kein Problem der Heimatvertriebenen. Daher gebe es auch von dorther derzeit noch keine Möglichkeit für eine Unterstützung der Rückkehr in die Heimat. Der Weg gehe nur über ein neues Europa. Das neue Europa werde aber nur aus dem Humanismus, der auf dem Boden des Christentum ruhe, erwachsen.“ Auf die Einordnung des sudetendeutschen Problems in den großen europäischen Raum wies auch der Chefredakteur des „Neuen Abendland“, Dr. Emil Franz ! (Augsburg-Prag), hin.

Die Erkenntnisse, die auf dieser Tagung ausgesprochen wurden, sind ein wertvoller Beitrag zur Klärung der mit der Entwicklung Mitteleuropas aufs engste verflochtenen Frage des Schicksals der Sudetendeutschen.

J.L.

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