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Hans Fronius

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Wenige Tage nach der Eröffnung der Kubin- Ausstellung in der Akademie der bildenden Künste gab die Albertina die große Kollektivschau von Werken Hans Fronius' dem Besuch frei: ein zufälliges Zusammentreffen, aber eines, das der tieferen Bedeutung nicht entbehrt Hier der große Alte unter den österreichischen Graphikern, dort der Jüngere, der eines Tages — daran ist kein Zweifel — die Vorrangstellung Kubine erben wird: die Ausstellungssaison hat ihren Höhepunkt erreicht.

Wie Kubin ist Fronius von einer unerschöpflichen Fruchtbarkeit, die in schöner Stetigkeit immer neuer Hervorbringung fähig ist; mit Kubin und den meisten anderen Graphikern hat er die fast monomanische Vorliebe für eine bestimmte Arbeitstechnik — in seinem Fall ist es die schwarze Kreide — gemeinsam, anderer Materialien bedient er sich nur zögernd und selten; und auch er liebt es, das Thema seiner Wahl in verschiedenen Zuständen, von entgegengesetzten Seiten und in wechselnder Beleuchtung zu betrachten — wie jeder geborene Graphiker arbeitet er am liebsten in Zyklen.

Natürlich ist Hans Frpnius darum kein Nachfolger, sondern ein Gegenspieler Kubine: wenn dieser, um es in etwas beiläufigen Schlagworten anzudeuten, ein Romantiker ist, wird man Fronius eher einen Klassiker nennen müssen, der die geschlossen-ruhige der offen-nervösen Form vorzieht. Die Phantasie beherrscht ihn weniger als den Magier von

Zwickledt, die Paraphrasen — Illustrationen kann man sie nicht ohne weiteres nennen — vorgegebener literarischer Werke sind daher bei Fronius häufiger: der Anteil des, nun, nennen wir's: Gefühlsmäßigen, ist dagegen in seinen Blättern weitaus größer: es gibt unzählige Kubin-Zeichnungen, die den Beschauer erheblich zu beängstigen oder zu verwirren vermögen — aber unter den Fronius-Zeich- nungen sind einige, die buchstäblich erschüttern können. Nicht Verwirrung und Ängstlichkeit sind charakteristisch für diese schwermütige Kunst; ihre Werke scheinen wie in Augenblicken der Überraschung entstanden zu sein, der Überraschung über den Anblick sehr schöner, sehr seltsamer oder auch sehr schrecklicher Dinge, Gesichter und Begebenheiten …

Indessen sind das Vergleiche, die beschreiben, nicht aber Werturteile liefern sollen. Gerade bei Fronius erweist es sich wieder einmal mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, daß es ganz und gar unwichtig ist, was ein Künstler macht, und nur wesentlich, w i e er es macht; gerade bei Fronius wird offensichtlich, daß die „Richtung" nichts und die Kraft des Künstlers alles ist. Fronius gehört nicht zu den Abstrakten, den Surrealisten, den Nichtgegenständlichen, und ist doch so „modern wie sie. Oder ihnen sogar noch voraus.

Österreich hat einen Künstler mehr, mit dem es getrost in die internationale Konkurrenz gehen kann.

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