Dantes Hölle von Katharina Tiwald - © Foto: Pawel Czerwinski / Rainer Messerklinger / Margit Ehrenhöfer

Dantes Hölle: Mehr als eine Midlifecrisis

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Zum 700. Todestag von Dante Alighieri. Teil 1.

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Zum 700. Todestag von Dante Alighieri. Teil 1.

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Vielleicht hat Falco Dante gelesen: „Es beginnt in einem Wald/ [...] Meine Seele ist so rein“, heißt es in seinem Song „Sound of Musik“, während Dantes „Divina Commedia“ so beginnt: „In der Mitte meines Lebens war ich, als ich mich in einem dunklen Wald verirrte“. Wald samt bedrohlichen Wildtieren steht metaphorisch für eine tiefe Lebenskrise.

Die Krise des realen Menschen Dante Alighieri war eine politische, er geriet in die Mühlen des Machtkampfes zwischen Papst und Kaiser – nicht von ungefähr hieß das Imperium, das sich auch über viele norditalienische Städte erstreckte, „Heiliges Römisches Reich“. Dante bezahlte teuer für seine Tätigkeit als Florentiner Volksvertreter. Nach der Machtübernahme papsttreuer Extremisten in Florenz wurde er verbannt; nach zwanzig Jahren im Exil starb er 1321 in Ravenna.

Der Begriff „Komödie“ für Dantes bombastisches Hauptwerk – gemeint ist der glückliche Ausgang im Paradies – ist aus heutiger Sicht ein wenig irreführend, auch wenn gerade das Inferno schlichtweg Entertainment mit Blockbusterqualität darstellt. Zu lachen gibt es für deren Insassen wenig, immerhin liest Dante die Worte „Lass alle Hoffnung fahren, wenn du eintrittst!“ auf einem Schild über dem Eingang zur Hölle.

Der Verirrte hat nämlich das getan, was sowohl aus einer Krise heraus wie auch hinein in große Kunst führt: den waghalsigen Schritt in die Gefahr. Er vertraut sich dem Geist von Vergil an, dem großen Dichter aus dem Rom des Augustus. Dantes tote Geliebte Beatrice habe ihn geschickt, erklärt Vergil: Der einzige Weg zur Rettung führe eben durch die Hölle.

In deren ersten Kreisen begegnet Dante mehreren Schwellenwächtern, etwa den Fährmännern Charon und Phlegyas, auch Höllenhund Cerberus hat einen kleinen Cameo-Auftritt. Die Strafen – maßgeschneidert an die Sünden angepasst – sind noch relativ harmlos, die großen Geister, die das Pech hatten, vor Christus auf der Erde zu sein, lustwandeln sogar im Innenhof eines Schlosses. Ein Florentiner Freund muss im ewigen Regen sitzen, weil er gesoffen hat; von sexueller Lust Getriebene werden von ewigem Wind hin und her getrieben.

Hier setzt Dante, der Schriftsteller, ein berührendes Denkmal: Jene Francesca aus Rimini, die von ihrem Gatten in flagranti beim Liebesspiel mit einem gewissen Paolo erwischt und erdolcht wurde, kann in Dante, der Figur, solches Mitleid wachrufen, dass er in Ohnmacht fällt – eines jener Vorkommnisse in diesem Werk, die Dante bei der religiösen Elite seiner Zeit in Misskredit brachten.

Nächste Woche: Glühende Särge, fliegende Ungeheuer

Der FURCHE Podcast · Gesang I – Dante, verirrt | Dantes Hölle von Katharina Tiwald

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