Malerei ist seine Muttersprache

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Siegfried Anzinger steht im Mittelpunkt einer umfassenden Retrospektive im "20er Haus".

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Siegfried Anzinger steht im Mittelpunkt einer umfassenden Retrospektive im "20er Haus".

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Köln 1997: Der österreichische Malerstar Siegfried Anzinger ist am Fertigstellen eines großformatigen Leimbildes mit dem Titel "Madonna, h-moll". Gleichzeitig sind in Wien die Vorbereitungen für die erste umfassende Retrospektive Anzingers im "20er Haus" voll im Gange. Nach Köln hat sich der Künstler bereits 1982 abgesetzt - im Vorjahr wurde er an die Kunstakademie Düsseldorf berufen, wo er eine Klasse für Malerei leitet. Theorien über das so oft proklamierte Ende der Malerei interessieren Siegfried Anzinger nicht. Er möchte nicht über die Malerei reflektieren - vielmehr denkt er im Malen, betrachtet das Tafelbild als geschichtlich gegeben, die Malerei als seine "Muttersprache".

Die stetige Suche nach einer noch heute gültigen Malerei begann Anfang der siebziger Jahre. Damals kam der Oberösterreicher - 1953 in Weyer geboren - nach Wien, um an der Akademie Malerei zu studieren. Steil ging die Karriere Anzingers in den angehenden achtziger Jahren bergauf: Als Vertreter der sogenannten "neuen Wilden" wurde er durch Teilnahme an Ausstellungen wie "documenta 7", "Zeitgeist" international bekannt - 1988 folgte die "Biennale" in Venedig.

Daß Siegfried Anzinger zu Recht zu den bedeutenden, zeitgenössischen Malern gezählt wird, macht die Ausstellung im "20er Haus" deutlich. Über 90 Bilder zeigen die künstlerische Entwicklung von dem heftigeren Frühwerk in Öl bis zu den neuesten freskoartigen "Madonnen"- und "Karren"-Serien in Leimfarben. Anzingers Bilder bewegen sich zwischen Abstraktion und Realismus, Themen und Motive sind für ihn jedoch meist nur Nebensache. Er malt seine nächste Umgebung - seine Frau, seinen Vater, die "Karren" als Beschreibung von Landleben und Erinnerung an Bilder aus der Kindheit seiner oberösterreichischen Heimat. Im Kern geht es ihm in seiner Auseinandersetzung mit Licht, Farben und Komposition jedoch vor allem um die Malerei an sich. Seine Bilder stehen in einer großen Tradition, erinnern an Maler wie Edouard Manet und Lovis Corinth bis zu Francis Bacon und Maria Lassnig.

Siegfried Anzinger erweist sich in seiner ständigen Suche nach dem Erfassen der Wirklichkeit mit den Mitteln der Malerei als zeitloser Klassiker. Das heißt nicht, daß er Traditionalist ist: Besonders die neuen Bilder spiegeln in ihrer Ambivalenz aus körperlicher Präsenz und Auflösung des Individuums im Umraum Tendenzen der neunziger Jahre. Gerade das Nichtausformulierte der Bilder bei gleichzeitiger malerischer Präzision macht etwa die "Madonnen" für den Betrachter so spannend.

Seine Kunst sieht Siegfried Anzinger auch als Arbeit an existentiellen Fragestellungen, im weitesten Sinne als Arbeit an sich selbst: "Es ist überhaupt so, daß man beim Malen auch etwas erledigt. Man malt ja oft nur, um auf die Dinge und Punkte zu kommen, die einem wirklich etwas wert sind, und um zu sehen, wie weit man dafür bereit ist zu opfern. Und in der Malerei bekommt man ganz genau die Antwort".

Bis 31. Mai

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