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Malerei aus dem Handgelenk

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Nach der Reihe internationaler Ausstellungen, von Boro- budur bis zur italienischen Avantgarde, treten wieder die Österreicher ein bißchen mehr in den Vordergrund. Allerdings zu Recht. Denn im Angebot der Wiener Galerien sind auch sehenswerte Ausstellungen, die zeigen, daß sich in der Wiener Kunstszene wieder etwas ereignet: Zwar fernab von den Renommierten, den Stars, die nur noch darauf schauen, ihre Preise gegen den Abwärtstrend hochzuhalten, aber gerade deswegen nicht minder interessant. Denn da kündigt sich - gemessen an der Situation - doch auch Neues an, eine mehr „malerische Malerei”, in der es nicht um Realismus, nicht um intellektuelle Konzepte, nicht um Fabulierlust oder ähnliche Probleme geht.

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Nach der Reihe internationaler Ausstellungen, von Boro- budur bis zur italienischen Avantgarde, treten wieder die Österreicher ein bißchen mehr in den Vordergrund. Allerdings zu Recht. Denn im Angebot der Wiener Galerien sind auch sehenswerte Ausstellungen, die zeigen, daß sich in der Wiener Kunstszene wieder etwas ereignet: Zwar fernab von den Renommierten, den Stars, die nur noch darauf schauen, ihre Preise gegen den Abwärtstrend hochzuhalten, aber gerade deswegen nicht minder interessant. Denn da kündigt sich - gemessen an der Situation - doch auch Neues an, eine mehr „malerische Malerei”, in der es nicht um Realismus, nicht um intellektuelle Konzepte, nicht um Fabulierlust oder ähnliche Probleme geht.

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Heimstatt dieses „Ereignisses” ist die Galerie Ariadne (Bäckerstraße 6), wo im neuen Keller eine junge Gruppe sich vorstellt; Siegfried Anzinger, Eugenia Rochas, Roman Scheidl, Hubert Schmalix, Edgar Tezak. Gruppe ist dafür vielleicht schon zuviel gesagt Die Verbindungen sind denkbar lose. Aber was die fünf freundschaftlich verbindet, ist ihre Arbeitsmethode. Das ständige Messen der eigenen Arbeit an jener der anderen: In manchen Bildern nähert sich der eine plötzlich dem ändern, um sich dann wieder zu entfernen. Ein Prozeß ständiger Spannungen, die fruchtbar werden.

Was sie tun, mag manchem vielleicht altmodisch scheinen. Aber egal, ob es als Schrittmacherei nach vorn oder als „alter Hut” angesehen wird: Diese Bilder und Gouachen und Zeichnungen biedern sich keiner Mode an; da schaut niemand auf Begriffe wie Avantgarde oder Experiment; da wird sozusagen aus Lust an der Malerei gemalt Schmalix’ prächtiges „Herbst”-Ölbild, das die Herbststimmung von Schloß Retzhof anläßlich der Malerwochen gekonnt umsetzt, kann man natürlich als Bild von Ästen und Laub nehmen; wie man auch bei Tezaks Triptychon die zu simplen Strichformen vereinfachten Gestalten erkennen könnte; oder beim Zeichner Anzinger: Da kann man sich von ihm zu diesem oder jenem Blatt auch eine Fabel erzählen lassen…

Aber darauf kommt es nicht an. Der Akt der Malerei ist in diesen Bildern erstmals wieder spürbar geworden. Das kraftvolle Umrühren in Farben, das Mischen und Aufrühren von Grünblau mit Weiß, das zum Beispiel bei Schmalix in einem magisch leuchtenden „Interieur”-Bild endete. Oder bei Tezak in leidenschaftlich dynamisierten Kompositionen, aus denen die Formen und Symbole erstaunlich heraus quellen.

Das ist wieder Malerei im besten Sinn, in bester Tradition; expressiv, ohne sich an die Expressionisten anzulehnen; von erfrischender Farbigkeit, ohne laut zu werden. Und der Zeichner des Fünferbundes, Anzinger, ist ein Sonderfall. Einer, der modernen Fragmentarismus nicht in mystische Dimensionen rückt, nicht Zeichnen als Ersatz für Philosophie setzt und die Geste in intellektueller Symbolik aus- laufen läßt Da zeichnet einer aus Temperament, aus seiner Phantasie heraus. Und aus dem Handgelenk! Ich müßte mich sehr täuschen, wenn sich da nicht Neues zusammenbraut, über das man in ein paar Jahren ganz schön streiten wird. Insofern also eine wichtige Ausstellung.

Arnulf Rainer geht seinen Weg konsequent weiter: Nach Surrealem, Blindmalerei, Automatismus,

Schwarzübermalungen, Verarbeitung schizophrener Elemente, Selbstdarstellungen in den Face-Farces, nun „Überarbeitungen” der berühmten Köpfe Franz Xaver Messerschmidts. Die eben erst gegründete Niederösterreich-Gesellschaft für Kunst und Kultur zeigt diese überzeichneten Photos in der Galerie in der Grünangergasse Nr. 12. Hämische Fratzen grinsen dem Betrachter entgegen. 3esichter erstarren zu Masken aus rabiatem Ge- strichel. Der „Weinerliche Alte” bekommt zwei schwarze Kanäle ins Gesicht gefurcht, der „Griesgrämige” verbirgt sich hinter einem Gestrüpp von Linien, der „Trotzige” braucht seinen Nietzsche-Strichelbart… Eine ungewöhnliche Sammlung von Köpfen, Physiognomien, Seelenlandschaften. Der Galeriebesucher kann studieren, wie Ausdruck entsteht Eine Schule der Ausdrucksgeläufigkeit sozusagen!

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