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Neue Wilde gibt es nicht

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Diesen Sommer ist Bregenz ein österreichisches Kunstzentrum. Das Kunsthistoriker und -mana-gerehepaar Christa und Wolf gang Häusler hat unter Mitwirkung der Architekten Carl Baumschlager und Dietmar Eberle eine Großausstellung zuwege gebracht, die Bedeutung über den Bodenseeraum hinaus hat.

„Malermacht / Expression und Pathos in der neuen österreichischen Malerei“ bietet eine Zwischenbilanz der Malergeneration, die unter der Bezeichnung „neue Wilde“ Furore gemacht hat, setzt aber diese Kunst auch zu den österreichischen Expressionisten Oskar Kokoschka, Egon Schiele, Richard Gerstl, Anton Kolig, Herbert Boeckl und nicht zuletzt zu Rudolf Wacker in Bezug.

Eine Reihe von Arbeiten dieser Meister ist im Bregenzer Künstlerhaus versammelt, die in direktem oder indirektem Zusammenhang mit den Bildfindungen der steirisch-oberösterreichischen Riege Alfred Klinkan—Erwin Bo-hatsch — Hubert Schmalix — Alois Mosbacher — Josef Kern — Siegfried Anzinger & Co stehen. Von Schieies Selbstporträt mit gespreizten Fingern ist es nicht weit zum Selbstbild-Quadriptychon des Malers Josef Kern. Von „neuwild“ im übrigen keine Spur — auch nicht in dem Porträt „Susanne“, das eine postmoderne Dame auf grauweißem Grund zwischen einem Schwarzhaardackel und Antoine Watteaus „Gilles“ darstellt.

Genauso unwild: der neue Mosbacher. Sein Großformat „TGV — dejä vu“ weist ebenso wie die „barre fixe“ durch Verfremdung und optische Überraschung eindeutig in Richtung Rene Magritte. Die größte Überraschung bereitet Erwin Bohatsch: er hat sich der Abstraktion zugewandt, aber einer sehr sinnfälligen: er malt heute riesige, eindringliche Himmel, durch die ein aerodynamisches Gestell mit Widerhaken gleitet. Hubert Schmalix ist in Bregenz unter anderem mit einer großen „Octavia“ vertreten, die als schwarze Mini-Silhouette durch des Malers Landschaftspuzzle reitet. Siegfried Anzinger hat sich zu einem peniblen Ubermaler gewandelt, dessen Temperabilder aussehen wie Grundierungen zu Eugene Delacroix.

Eine Reihe von Klassikern flankiert diese Heerschau, Vor-Bilder von Inhalt und Malweise her: Von Anton Kolig etwa der „Pan in der Hölle“, von Kokoschka das späte Rätselbild „Mal'occhio“ (Böser Blick) und der „Peer Gynt“; Alfred Klinkan hat einen „Mandrill“ als direktes Kokoschka-Zitat gemalt — überhaupt ist besonders der späte O. K. ein direkter Vorfahr so mancher dieser Ex-Neuwilden, die miteinander nicht viel mehr gemeinsam haben als daß sie malen.

Von Rudolf Wacker haben die Organisatoren einen verschollenen, ergreifenden Frauenakt ohne magische Zutaten in Privatbesitz ,entdeckt (ansonsten fällt der Vorarlberger Anteil eher untypisch und mager aus). Nicht zu vergessen: der junge Kärntner Johanes

Zechner, dessen gemalte „Gedichte“ in einer neuen hermetischen Zeichensprache über die ganze Ausstellung verteilt sind.

Die Exposition zeigt eine sehr österreichische Synthese der österreichischen Malerei dieses Jahrhunderts mit dem gemeinsamen Nenner Expressivität und pathetische Selbstdarstellung, die nicht nur überwiegend aus Großformaten besteht, sondern auch Format hat.

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