Malen als Arbeit an sich selbst

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Das Lentos in Linz zeigt neue Arbeiten des wandelbaren Malers Siegfried Anzinger. Die Schau sollte keine herkömmliche Retrospektive werden, lässt aber dennoch punktuell auch die Entwicklung des oberösterreichischen Künstlers erkennen.

Theorien über das oft proklamierte Ende der Malerei interessieren Siegfried Anzinger nicht. Er möchte nicht über die Malerei reflektieren. Vielmehr denkt er im Malen, betrachtet das Tafelbild als geschichtlich gegeben, die Malerei als seine "Muttersprache“.

Die stetige Suche nach einer noch heute gültigen Malerei begann Anfang der 70er Jahre. Damals kam der Oberösterreicher, 1953 in Weyer geboren, nach Wien, um an der Akademie bei Maximilian Melcher Malerei zu studieren. Aber bereits 1982 setzte sich der Künstler nach Köln ab, wo er heute noch lebt und arbeitet. Von da an ging die Karriere Anzingers steil bergauf: Als Vertreter der sogenannten "Neuen Wilden“ wurde er durch Teilnahme an renommierten Großereignissen wie der documenta 7 und "Zeitgeist“ im Jahr 1982 international bekannt. 1988 folgte die Biennale in Venedig, wo er - gerade erst 35 - den österreichischen Pavillon mit großformatigen figural-skizzenhaften Gemälden bespielte.

Mut zu den "großen“ Themen

Dass Siegfried Anzinger auch über 20 Jahre nach seinem fulminanten Durchbruch nach wie vor zu Recht zu den bedeutenden zeitgenössischen Malern gezählt wird, macht eine Ausstellung im Lentos sichtbar. Sieben Jahre nach seiner letzten heimischen Schau - damals in der Sammlung Essl - gibt es jetzt ganz neue Arbeiten des wandelbaren Malers zu sehen. Denn eine herkömmliche Retrospektive, wie ursprünglich geplant, lehnte Anzinger ab, erzählt Lentos-Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller: "Das war mit ihm nicht möglich. Ihn interessiert die Zukunft, nicht das Vergangene.“ Allerdings gibt es in der Schau mit über 50 Gemälden, 20 Skulpturen und zahlreichen grafischen Blättern punktuell immer wieder auch Rückblicke zu Meilensteinen seiner künstlerischen Entwicklung - etwa zu dem damals auf der Biennale gezeigten Diptychon "Der zerbrochene Tag II“.

Die Themen von Anzingers Malerei sind vielfältig. Er malt seine nächste Umgebung, sich selbst - auch Landschaften, Tiere und einfache Gegenstände wie "Karren“ als Beschreibung von Landleben und Erinnerung an Bilder aus der Kindheit seiner oberösterreichischen Heimat. Zugleich wagt er sich an "die“ großen Themen der Kunstgeschichte heran - an "Adam und Eva“, "Madonnen“, "den Schöpfungszyklus“ und Heiligen-Figuren wie "Hieronymus“ und "Antonius“. Wie sehr Anzinger den Dialog mit sakralen Themen sucht, spiegeln die beiden sechs Meter hohen Glasfenster für die Pfarrkirche seiner Heimatgemeinde Weyer, die Anzinger 2008 realisierte. Entwurfszeichnungen dazu sind am Ende der Schau erstmals zu sehen.

Siegfried Anzinger erweist sich in seiner ständigen Suche nach dem Erfassen der Wirklichkeit mit den Mitteln der Malerei als zeitloser Klassiker. Das heißt nicht, dass er Traditionalist ist: Viele Bilder spiegeln in ihrer Ambivalenz aus körperlicher Präsenz und Auflösung des Individuums im Umraum gegenwärtige Diskussionen rund um das Verhältnis von Realität und Virtualität. Gerade das Nichtausformulierte der Bilder bei gleichzeitiger malerischer Genauigkeit macht etwa seine Bilder für die Betrachter so spannend.

"High“ und "low“

Im Kern geht es Anzinger, der in Rankings zu den Top Ten der österreichischen Künstlerriege zählt, stets um die Auseinandersetzung mit Licht, Farben und Komposition. Seine Bilder stehen in einer großen Tradition, erinnern an Maler wie Édouard Manet und Lovis Corinth bis zu Francis Bacon und Maria Lassnig. Gerade die neueren Serien wie der "Wild-West-Zyklus“ überraschen allerdings selbst Kenner. Denn sie zeigen sowohl formal als auch inhaltlich eine neuerliche Wandlung. Erzählerisch, humorvoll und stilistisch nahezu comicartig locker präsentiert sich der Anzinger der 2010er Jahre als Grenzgänger zwischen "high“ und "low“. Dies liegt nicht nur an der ironisch-witzigen Verfremdung klassischer Motive, sondern auch an der stärkeren Durchdringung von malerischen und zeichnerischen Elementen. So setzt Anzinger in den neuen pastellfarbenen Gemälden stark auf die Kraft der schwarzen bewegten Linie. Was bisher getrennt verlief - das malerische und das zeichnerische Werk - findet jetzt offenbar zusammen.

Seine Kunst sieht Anzinger als Arbeit an existenziellen Fragestellungen, im weitesten Sinne als Arbeit an sich selbst: "Es ist überhaupt so, dass man beim Malen auch etwas erledigt. Man malt ja oft nur, um auf die Dinge und Punkte zu kommen, die einem wirklich etwas wert sind, und um zu sehen, wie weit man dafür bereit ist zu opfern. Und in der Malerei bekommt man ganz genau die Antwort.“

Siegfried Anzinger

Lentos Kunstmuseum Linz

bis 13.3., tägl. 10-18, Do bis 21 Uhr (ab Februar montags geschlossen)

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