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Vergessener Karntner

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Neunzehnhundertfünfundsiebzig ist in Klagenfurt ein Buch über den Kärntner Maler Felix Esterl (1894 bis 1931) erschienen; es hat 60 Seiten, 23 Abbildungen, ein Werkverzeichnis, und ist dazu geeignet, den selbständigen Leser und Kunstfreund zu näherer Befassung mit dem Werk des frühverstorbenen und zu Unrecht vergessenen Künstlers anzuregen. Adolf Christi und Gotbert Moro haben immer schon daran gedacht, Esterl ein Denkmal zu setzen; es mußte aber erst der Mann heranwachsen, der die nötige Muße fand, eine unpopuläre Arbeit zu tun: die Arbeit am fremden, unbekannten Wert, der sich nicht leicht in Umlauf bringen läßt.

Dieser Mann ist Karl Newole. Sein schlichtes Buch verschwindet zunächst in der Menge aufgedonnerter Kunstbücher, wie sie alljährlich auf den Markt geworfen werden; die feine Festigkeit seines Inhalts wird es nadeiförmig weiterführen und durchdringend machen. Bis dato haben nur wenige Esterl überhaupt angeschaut; sein Ruf ist kaum über den Kreis seiner Jugendfreunde und über sein Leben hinausgedrungen, jetzt aber soll sich das Nachschaun verlohnen. Newole registriert neun Zeichnungen und 76 Ölbilder, 32 davon sind Stilleben, 14 Landschaften, zwölf Porträts verschiedener Personen, acht Selbstporträts, sechs Aktbilder. Außer den letzteren, welche sehr delikat sind .bietet keines seiner Bilder ein stoffliches Interesse. Hier ist Natur stofflicher Vorwand für künstlerischen Bildbau und sonst nichts; ein Klümpchen Stoff, hinreichend Zeug für eine in räumlichen Verhältnissen präzis, diskret, subtil schaffende Technik der „Secheresse“ (Trockenheit), die kein Gefühl hervorruft und keines berührt;, selbst gefühllos wie der feste Boden der Tatsachen und der „senkrechte“ Strahl in reiner Atmosphäre; also nichts „Atmosphärisches“.

Es scheinen Etüden zu sein; Bilder, welche als solche geringgeschätzt werden, wie die berühmten Kantaten, die dieses Schicksal hatten. Wir wollen Esterl nicht mit einem Großen vergleichen, nur auf den Ernst hinweisen, der ihn beseelte. Sein Freund, Friedrich Wlatnig, hat in diesem Zusammenhang von „ernster Leichtigkeit“ gesprochen, Otto Dennis von „ernstem Forschergeist“, Boeckl von einer „zarten, reinen, keuschen Art“; Clementschitsch kommt der Sache in seinem Nachruf noch näher: „Er war dem Leben dankbar in einer undenlich zarten Art. Er bewies es dadurch, wie er lebte, und durch sein Werk. Er hielt die Natur für grausam. Von großer Gestalt, mit großen, sehr scharfen Augen und von gelassener Bewegung — so steckte er in einer merkwürdig feinen Haut. An diese namentlich erinnert die Farbigkeit in seinen Bildern; er liebte die Reflexion und das Experiment. Seine Art zu denken war die logische; er mißtraute in wesentlichen Dingen der Intuition, die ihm das Chaos zu nahe brachte. Das Chaotische war für ihn das Feindselige; er war deshalb beharrend, schwer zu überzeugen ... Bei Esterl will alles ins Helle, Akzentuierte; das große Mittelbild (der Gedächtnisausstellung) erstrahlt vor Helligkeit. Er malte so wie er war; auch seine Stimme war hell, tenoral, fast fliegend...“

Esterls Programm: Die Verwendung malerischer Mittel zur Erreichung eines malerischen Zwecks, mit Ausschluß aller Appelle. Verglichen mit seinen nächsten Zeitgenossen, Wiegele, Boeckl, Clementschitsch, Kolig, Faistauer, Frankl, erscheint er grau, wie die Grammatik; in allen Dingen von der Vorsicht eines Schülers geleitet, begrenzt durch philosophische Diskretion. Welche vielseitige Überlegenheit ihm gegenüber! Bei ihm ist aber auch, nicht bloß kraft seiner Jugend, jeder Verflachung des Großartigen, Packenden, Virtuosen ins Industrielle, dem Verkommen in Kitsch und Dekoration ein Riegel vorgeschoben. Er ist nicht „interessant“, das heißt: ohne Nebenwerte, die der Wirkung und dem Erfolg vielfach Nahrung geben. Er ist, vergleichsweise, nicht nur beschränkt, sondern auch maßvoll; ohne jeden Schein, und ohne Erlaubnis, nur im Geringsten zu schmieren. Nehmt alles nur in allem: eine, für jede Partei, irrelevante Erscheinung. Darum hat auch seit vierzig Jahren, seit Demus' Artikeln in den „Freien Stimmen“, fast kein Kunsthistoriker ihn mehr erwähnt.

FELIX ESTERL. Von Karl Newole. Verlag des Kärntner Geschichtsvereines. 60 Seiten, 23 Abbildungen (12 Farbtafeln), 165 Schilling.

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