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Kritik an Sartre

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HISTORISCHE VERNUNFT UND DIREKTE AKTION - Zur Politik und Philosophie Jean-Paul Sartres von Günter Albreeht Zehm. Ernst-Klett-Verlas, Stuttgart, 1981. 280 Selten, DM 24.-.

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HISTORISCHE VERNUNFT UND DIREKTE AKTION - Zur Politik und Philosophie Jean-Paul Sartres von Günter Albreeht Zehm. Ernst-Klett-Verlas, Stuttgart, 1981. 280 Selten, DM 24.-.

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Das vorliegende Buch will Sartres Gesamtwerte an dessen eigenem Postulat des politischen Engagements und der direkten Aktion messen, es will die Abhängigkeit Sartres von den konkreten historischen Gegebenheiten darstellen. G. A. Zehm, früherer Assistent Emst Blochs, geht mit Sartre streng ins Gericht. Er wirft Sartre vor, sich der Politk voll und ganz ausgeliefert zu haben, ohne von seinem Nihilismus jemals weggekommen zu sein. Politisches Engagement im Rahmen eines spezifischen politischen Dogmas und radikal-individualistische Ausgangsposition stehen in einem unüberbrückbaren Spannungsverhältnis zueinan der, das Ergebnis ist ein „richtungsloses Rebellieren“. Trotz aller Verherrlichung des Rationalismus herrsche bei Sartre Irrationalismus und Subjektivismus vor. Sartre sei hier für die europäischen „linken“ Intellektuellen signifikant, deren Fortschrittsoptimismus ausgelöscht sei.

Die erste Hälfte des Buches, die sich mit dem Sartre vor dem großen Einschnitt des Rėsistanceerfebnisses befaßt, wird vor allem jene Leser ansprechen, die primär am philosophischen Oeuvre Sartres interessiert sind. Das, was Sartres Existentialismus ausmacht, was vom individuellen Geworfensein ln die totale Verantwortung ausgeht, wurde in dieser Zeit zwischen den Kriegen ausgeprägt. Die entscheidende Hinwendung zur öffentlichen Wirksamkeit während und nach der Mitarbeit in der Resistance leitet den zweiten Teil des Buches ein. Wer primär am Dramatiker Sartre oder am politisch Engagierten interessiert ist, dem gilt nun die zweite Hälfte von Zehms Buch. Orest in den „Fliegen“, Jean im „Räderwerk“, Götz in „Der Teufel und der liebe Gott“, Höderer in den „Schmutzigen Händen“ und — mit Einschränkungen — Franz in den „Gefangenen von Altona“, das sind die lebendig gewordenen Prinzipien von Sartres Philosophie, verbunden mit den Prinzipien von Sartres politischem Engagement. Und dieses wird dem Dichter und Philosophen von Zehm konsequent vorgeworfen. Die zeit weilig vollkommen kritiklose Identifizierung mit dem Herrschaftsmarxismus des Ostens ist auch tatsächlich nur schwer zu begreifen. Zehm zeigt sehr gut, wie Sartre zwischen der Praxis des Kommunismus und der marxistischen Ideologie unterscheidet, wie er erstere immer zu rechtfertigen sucht (auch die Kritik am Ungarnblutbad, 1956, ist eine interne, vom Standpunkt eines „besseren“ Kommunisten aus), letztere aber oft und hart kritisiert (sie leide an „Arteriosklerose“). So wird Zehms Kritik an Sartre zu einer Kritik an der anarchistischindividualistischen Grundhaltung schlechthin, die sich auf der Flucht vor ihrem eigenen Nihilismus einem neuen Gott in die Arme wirft.

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