Respekt vor dem Gemeinwohl, Achtung für Andersgläubige

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Die starren Ideologien der Zeugen Jehovas haben gemäßigteren Anschauungen Platz gemacht. Dennoch stellen die etablierten Kirchen weiterhin Fragen an diese Glaubensgemeinschaft.

Jehovas Zeugen erhalten nun die angestrebte staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft in Österreich. Sie haben sich dieses Ziel vorgenommen, nachdem der erwartete Anbruch des Tausendjährigen Reichs 1975 nicht in Erfüllung ging. Die Folge waren viele Austritte. Um die verlorene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, wurde nach einem Ausweg gesucht. 1978 schlug man den Weg Richtung öffentlicher Aufwertung ein. Den Antrag auf staatliche Anerkennung konnten die Zeugen aber nur deshalb stellen, weil es ihnen durch eine Änderung ihrer negativen Lehre über den Staat erlaubt war. Seit 1962 gilt, dass der Staat von Gott geduldet sei, und Zeugen Jehovas sich dort einbringen dürfen - für die ideologisch hoch eingestellten Zeugen eine krisenhafte Zeit, in der es Unzufriedenheit und auch Zeichen der Mäßigung gab.

Krisenzeit und Zeichen der Mäßigung

Jehovas Zeugen sehen in der staatlichen Anerkennung vor allem ein Gütesiegel, das sie vor falscher Kritik schützen und ungerechtfertigte Vergleiche mit neuen Endzeit-Bewegungen verhindern soll. Schon während der Sektendebatte in den 1990er Jahren wollten sie nicht mit diesen teils freiheitsentziehenden Gruppen in einen Topf geworfen werden. Sekten sind laut Wachtturmführung unglaubwürdige Religionen, bei denen Lebenspraxis und Glaubensanspruch auseinanderfallen - als Beispiel wird die gesamte Christenheit angeführt. Da Zeugen Jehovas moralisch höhere Ansprüche an sich stellen, seien sie die echte Religion.

Ihren neuen Rechtsstatus werden die Zeugen im allgemeinen Sprachgebrauch jetzt einfordern. Im Schul- und Medienbereich kann mit Beschwerden über Diskriminierungen gerechnet werden, dort wo sie nicht korrekt bezeichnet werden. Zeugen Jehovas galten bislang als Sekte schlechthin, nicht weil sie ohne staatliche Anerkennung auskommen mussten, sondern weil sie darauf bestehen, dass nur das von der Wachtturmführung als Wille Gottes Erkannte geglaubt werden darf und als christlich zu gelten habe. Zeugen Jehovas werden zu Unrecht als "14. Kirche" bezeichnet, da in Sachen Ökumene keine Toleranz erkennbar ist.

1998 wurden neue rechtliche Bedingungen für die Anerkennung religiöser Gemeinschaften in Österreich geschaffen. Die Jahre seither haben die Zeugen genützt, um sich auf die Gleichstellung mit den großen Kirchen vorzubereiten. Dazu zählt vor allem die Errichtung einer Klasse von Geistlichen, um bestimmte Prediger von Militär- und Zivildienst freizuhalten. Konkret handelt es sich um Vollzeitprediger (Pioniere) und um Mitarbeiter in der Zentralverwaltung (Betheldiener), die ohne Gehalt im hauptamtlichen Einsatz stehen. Sie werden nun als "Geistliche" oder als "Ordensangehörige" bezeichnet und so mit Klerikern der Kirchen verglichen. Die Unbekümmertheit, mit der hier Worte aus dem kirchlichen Umfeld übernommen werden, verblüfft. Die neuen Doppelbezeichnungen sind von Eigeninteresse getragen und nicht als Annäherung zwischen den Religionen zu verstehen. Die Zeugen sind eine Laiengemeinschaft, die sich nun in normale Verkündiger (Männer, Frauen, Kinder), leitende Älteste und ihre Gehilfen (Männer, Burschen) - sie sind alle ehrenamtlich tätig - und in Geistliche (Männer, Frauen) aufgliedert.

Neue Impulse nach innen und außen

Mit der Schaffung von geistlichen Funktionären gibt die Wachtturmführung neue Impulse. Nach innen, dass sich mehr 18-jährigen Burschen zum Pionierdienst melden und sich so langfristig an größere Aufgaben binden. Nach außen zeigt man mit dem Einsatz von Geistlichen, dass man in offizieller Mission auftritt. Die Ankündigung von Seiten der Zeugen Jehovas, verstärkt mit "Seelsorgern" in Spitälern auftreten zu wollen, lässt aufhorchen. Auch Pflegeheime sollten kein Missionsfeld für eine staatliche anerkannte Religionsgemeinschaft sein. Zeugen-Jehovas-Seelsorger werden also nur ihre Mitglieder in den Anstalten betreuen dürfen und sollten sich dort bei informellen Zeitschriftengeschenken an andere Klienten zurückhalten. Von einer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft kann Respekt vor dem Gemeinwohl erwartet werden, der sich in der Achtung für Andersgläubige zeigt.

* Der Autor leitet das Referat für Weltanschauungsfragen der Diözese Innsbruck

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