6910683-1981_08_07.jpg
Digital In Arbeit

Ist Information gleich Inquisition?

Werbung
Werbung
Werbung

Der aus einer Schülerzeitung über­nommene Artikel, der sich mit der Frage der Sekteninformation befaßt, beginnt mit der Feststellung, daß darin angeschnittene Probleme auf Wider­spruch stoßen werden. Und damit hat der Verfasser dieses Artikels fast schon alle seine ernstzunehmenden Aussagen zusammengefaßt. Denn was er an­schließend über Zeugen Jehovas und Vereinigungskirche schreibt, wider­spricht den Fakten.

Der Verfasser, so geht aus dem Text hervor, kennt Mitglieder von „Sek­ten“; hier sei gleich vermerkt, daß die­ses Vokabel heute immer mehr fraglich wird wegen der negativen Prägung. Da­her wird auch in dem 1980 erschienenen Buch „Umwege zum Heil?“ von reli­giösen Sondergemeinschaften, um das oft schon belastete Wort „Sekten“ zu vermeiden, gesprochen. Wer aber

meint, dieser Ausdruck sei gleichsam ein Schimpfwort der Kirche, der irrt. Bereits im Neuen Testament findet sich diese Bezeichnung.

Weiters hebt der Autor die „Ehrlich­keit ihres Charakters“ hervor. Wer sich nur ein wenig die Informationsschriften zum Thema „Sekten“ durchgesehen hat, der wird selbst feststellen müssen, daß die einzelnen Mitglieder nicht an­gegriffen werden - warum auch? Nur ist zu unterscheiden zwischen der per­sönlichen, subjektiven Überzeugung des einzelnen Anhängers einer Sonder­gemeinschaft und der Übereinstim­mung mit den Aussagen der Bibel. Wenn nun in diesem Artikel „von der Christlichkeit ihrer Ziele“ die Rede ist, so kann das doch in einer katholischen Zeitung nicht unwidersprochen stehen­bleiben.

Bei den Zeugen Jehovas werden zwar ständig Bibelzitate herangezogen, um ihre scheinbar christliche Lehre zu untermauern. Doch haben sich die Zeu­gen Jehovas allein schon durch ihr Got­tesbild aus der großen Zahl der christli­chen Gemeinschaften ausgeschlossen. Der Weltrat der Kirchen, dem mehr als 250 verschiedene Kirchen (nicht die rö­misch-katholische) angehören, hat als Basis christlicher Überzeugung den Glauben an den einen, dreifältigen Gott und an Jesus Christus als ,Gott und Er­löser festgehalten - gleichsam das Mi­nimum gemeinsamen Glaubensguts. Für die Zeugen Jehovas trifft eine sol­che Einstellung nicht zu. Denn sie sehen im Glauben an die Trinität eine unbibli­sche Lehre und für sie ist Jesus Christus nicht Gott, sondern der menschgewor­dene Erzengel Michael.

Auch diese Fakten stehen in dem vom Autor des Schülerzeitungsartikels

nkriminierten Flugblatt. Doch über liese Daten wollte er sich offensichtlich ieber ausschweigen - sie hätten anson- ten sofort seine These der „Christlich- :eit“ ad absurdum geführt.

Gleichfalls wäre die Unvereinbarkeit ler Lehre der Vereinigungskirche mit lern Christentum sichtbar geworden, lätte der Verfasser noch einige Zeilen iber die Lehre dieser neuen religiösen Jrganisation ergänzend gebracht. San 4yung Mun (oder Moon) versteht sich ils der „Herr der Wiederkunft". Chri- tus sprach ja davon, daß er am Ende ler Zeiten wiederkommen werde - und las sei jetzt eben der Fall. Christus hat iber auch die Mahnung gegeben: „Seht :u, daß niemand euch irreführe. Viele verden in meinem Namen kommen ind sagen:,Ich bin es', und werden viele rreführen“(Mk 13, 5f.).

Im Hauptwerk der Vereinigungskir- :he, den „Göttlichen Prinzipien“ ist vörtlich zu lesen, daß für sie Christus licht Gott ist, sondern nur ein Mensch nit einer besonderen göttlichen Beru- üng. Der Glaube an die Trinität hat der genauso wenig Platz wie bei den Zeugen Jehovas. Dann noch von einer .christlichen“ Gruppe sprechen zu wol- en, ist einfach verfehlt.

Der Autor behauptet bezüglich der Vereinigungskirche, die Angabe der Erschaffung Adams (4050 v. Chr.) sei :ine „peinliche Verwechslung“. Er er- clärt aber nicht, was seiner Meinung iach die Vereinigungskirche wirklich ehrt. Wer die verschiedenen Ausgaben ier „Göttlichen Prinzipien“ durchgese- ien hat, der kennt auch die Tabelle mit ier Angabe der verschiedenen Zeital- :er, die, wenn man die Zahlen addiert, 'u dem Ergebnis führt, daß Adam 4050 r.Chr. geschaffen wurde.

Abschließend sei noch die Frage ge­stellt: Beinhaltet Toleranz letztlich die unausgesprochene) Erwartung, daß iie Kirche möglichst keine Stellung- lahmen mehr abgibt? Die Information über Organisationen (wie z. B. die Ver­einigungskirche), die auch die persön­liche Entscheidungsfreiheit in Frage .teilen, ist doch alles andere als Inquisi- ion in Neuauflage. Es mag sein, daß nanchem diese Stellungnahmen unan­genehm sind - es ist wohl den Betreffen- len nicht bewußt, daß sogar nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil im öku- nenischen Direktorium folgender Pas­sus steht:

„Wo aber diese legitime Gegensei- jgkeit und das wechselseitige Einver­nehmen schwer zu erreichen ist, weil an manchen Orten und bei manchen Ge­meinschaften, Sekten und Einzelperso­nen die ökumenische Bewegung und dei Wunsch nach Frieden mit der katholi­schen Kirche noch nicht erstarkt sind [vgl. Ökumenismus 19), soll der Orts­oberhirte oder notfalls die Bischofskon­ferenz geeignete Wege weisen, Um bei ihren Gläubigen die Gefahr des Indiffe- rentismus oder Proselytismus bei dieser Sachlage zu bannen.“

Die Verfasserin ist Leiterin des Referates für Welt­anschauungsfragen der Erzdiözese Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung