Verismo-Oper ernst genommen

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"Tosca" am Tiroler Landestheater - große Stimmen in glaubwürdigem Ambiente

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"Tosca" am Tiroler Landestheater - große Stimmen in glaubwürdigem Ambiente

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Ein kleines Wunder: Erstmals in der Ära Mentha wird eine romantische Oper nicht zum Opfer absurder Regieabenteuer, wie sie die skandalträchtige Liste von Traviata über Freischütz und Onegin bis zum unseligen Hoffmann des Vorjahres verzeichnet. Endlich hat man einmal den Mut gefunden, sich am Werk, seinem historischen Hintergrund und an der Musik zu orientieren. Und siehe da: Im Verzicht auf vordergründig-platte Aktualisierungsversuche kommt die Zeitlosigkeit des hochpolitischen Stoffes umso deutlicher zum Ausdruck.

Regisseurin Sibylle Krantz nimmt die Verismo-Oper ernst und widmet ihr eine glaubwürdige Inszenierung, die den ewig gültigen Konflikt zwischen zynischem Machtmißbrauch und wahrhaftigen Gefühlen erlebbar macht. Helfried Lauckners Ausstattung bietet der römischen Tragödie von 1800 mit Bildern fernab von Plüsch und Schnörkeln einen streng-sachlichen Rahmen, der doch - vor allem im 1. Akt - gewisse historische Anklänge vermittelt. Auch die Kostüme fangen das Kolorit der napoleonischen Zeit dezent ein und unterstützen die Polarisierung der Charaktere.

Dirigent Arend Wehrkamp ist ein bewährter Praktiker, neigt aber dazu, Dramatik mit penetrantem Dauerforte erzielen zu wollen; unter den Phonstärken des Innsbrucker Orchesters leiden zuweilen Puccinis Feinheiten, die Hell-Dunkel-Spannung der Partitur und forcierende Sänger. Erst im dritten Akt werden auch delikate lyrische Valeurs musikalisch ausgekostet und das Ohr versöhnt.

Drei hervorragende Protagonisten glänzen mit potenten Stimmen: Als Tosca gastiert die russische Sopranistin Elena Pankratova von der Nürnberger Oper, deren differenzierte dramatische Entwicklung von der kapriziös-verliebten Diva zur großen Tragödin in Stimme und Spiel gleichermaßen beeindruckt. Der in Rom und Berlin erfolgreiche kolumbianische Tenor Ernesto Grisales erweist sich als genuiner Cavaradossi, der den Künstler wie den melancholischen Helden verkörpert und in seiner berühmten Arie die Sterne berührend zum Leuchten bringt. Das Innsbrucker Ensemble besitzt in Joachim Seipp einen markanten Scarpia, der seine Brutalität offen zur Schau trägt. In diesem Dreieck von Liebe, Infamie und tödlichen Gefühlsausbrüchen ereignen sich Augenblicke großer Oper. Gotthardt Schubert als gehetzter Angelotti und die Nebenrollen sind solid besetzt. Aus vollem Halse läßt der Chor das Tedeum erschallen. Jubel im ausverkauften Haus.

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