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Die Charta nationaler Einheit

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Grausame Gefangenenmißhandlung — ihnen wurden öfter Ohren und Nasen abgeschnitten, bevor man sie zurückschickte über die Front — und unerreichbare Siege gegen einen unsichtbaren, aber spürbaren Feind demoralisierten das Expeditionskorps. Es mußte häufig ausgewechselt werden und vergrößerte sich auf das Dreifache. Der Sieg blieb ihm dennoch versagt — aus vier Gründen: 1. Auch die modernste und am sorgfältigsten ausgerüstete und ausgebildete reguläre Armee muß unterliegen gegen beweglich operierende, jeder Ubermacht ausweichende und hinter ihr wieder auftauchende Guerillas. Das zeigte sich schon im Kampf gegen die Kurden im Irak und in dem zwischen Regierungstruppen und Rebellen im Südsudan. 2. Die Royalisten wurden sudanesischer-seits so großzügig unterstützt, daß sie den Kriegssold zahlen konnten in silbernen Mariatheresientalern; die Republikaner bekamen wertloses Papiergeld. 3. Den Ägyptern blieb die jemenitische Mentalität, die sie für rückständig hielten, fremd. Sie wurden von Verbündeten zu Besatzern, und an die Stelle königlicher Beamter traten ägyptische Inspektoren, jemenitische Polizisten wurden ersetzt durch ägyptische Geheimdienstler. Die Kerker blieben, es wechselten nur Insassen und Wächter. Außerdem verarmte das Land durch die immer drückendere Besatzung. 4. Die Republikaner beschäftigten sich mehr mit Intrigen untereinander als mit dem Kampf gegen die Royalisten. Präsident as-Sallal entging knapp mehreren Mordanschlägen, und sein erster Vizepräsident Dr. Abdel Rahman al-Badani und sein zeitweiliger Ministerpräsident Numan verschwanden als Gefangene in der Kairoer Zitadelle. Eine republikanische Dissidentengruppe lief über nach Aden.

Die Charta von Djidda

Ägyptische Unfähigkeit, die Einheit des Landes wiederherzustellen und die Sicherheit der Republik zu gewährleisten, und jemenitische Kriegsmüdigkeit bewerkstelligten die „Charta nationaler Einheit“, die die divergierenden Gruppen letzte Woche in Djidda, der saudischen Hafenstadt, beschlossen. Sie sieht vor:

• Der Jemen wird proklamiert zum „muselmanischen Staat“;

• er wird regiert von einer achtzigköpfigen — nach Landessitte und -gebrauchen zu wählenden — Versammlung;

• diese wird beaufsichtigt von einem aus ihrer Mitte zu bestimmenden achtköpflgen „Hohen Rat“;

• dieser ernennt einen Ministerist in Südostasien — den Sieg der anderen verhindern. Insofern ist der Jemenfrieden kein Modellfall für Vietnam. Was sich im Jemen entschied, war nicht ein Kampf zwischen „Reaktion“ und „Fortschritt“, und die politische Praxis nach dem Friedensschluß muß erst zeigen, ob dort eine Synthese möglich ist zwischen modernen sozialen Vorstellungen und arabischen Traditionen wie in Saudi-Arabien. Im verlieren. Schon der für ihn scheinbar verlorene Suezkonflikt (1956) habe keineswegs, wie die drei Interventionsmächte damals erwartet hätten, zu seinem Sturz geführt, sondern seine innenpolitische Stellung gestärkt. Vielleicht ziehe er auch diesmal eine äußere militärische Niederlage dem unsicheren Ausgang einer inneren Machtprobe mit seinen Offizierskollegen vor. Vermutliches Angriffsziel: Israel!

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