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Die ominöse Klausel „29 C”

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In der Südafrikanischen Union dauert schon seit Monaten eine bemerkenswerte Kontroverse an, die vielleicht als eine der schärfsten der letzten Jahre bezeichnet werden kann. Es handelt sich um eine unter der Bezeichnung „29 C” bekannte Klausel in dem umfangreichen Ergänzungsgesetz, betreffend die Gesetzgebung für Nichteuropäer. Dieses Ergänzungsgesetz wird gegenwärtig vom Parlament der Südafrikanischen Union debattiert, vertagt und wieder debattiert. Diese Klausel verpflichtet in ihrer ursprünglichen Fassung alle Kirchen, Krankenhäuser, Klubs und andere vielrassische Organisationen, darunter etwa das Rote Kreuz, soweit sie in städtischen Gebieten seit 1938 geschaffen wurden, die Erlaubnis des Ministers für Eingeborenenfragen einzuholen, bevor sie zu ihren Veranstaltungen Nichteuropäer zulassen. Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß im ganzen Lande Proteste gegen diese Verordnung laut wurden, besonders natürlich von Seiten der verschiedenen Glaubens- gemeinschafterf. Der verstorbene anglikanische Erzbischof von Kapstadt, Dr. Clayton, richtete wenige Stunden vor seinem Tod an den südafrikanischen Premierminister ein Schreiben, in dem er gegen diesen Uebergriff auf die religiöse Freiheit heftig protestierte. Er erinnerte in seinem Schreiben an den Bibelsatz: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.” Er machte in seinem Schreiben weiter klar, daß die Geistlichen der anglikanischen Kirche

durch ihr Gewissen verpflichtet sein würden, dem Gesetz zuwiderzuhandeln.

Zu den stärksten Gegnern dieser Verordnung gehört natürlich die katholische Kirche, aber auch die protestantischen Religionsgemeinschaften der Methodisten, der Presbyterianer und Baptisten haben scharfen Protest erhoben. Nur die Holländisch-reformierte Kirche, die neben den Anglikanern die zahlenmäßig bedeutendste Gruppe in Südafrika darstellt, hat sich im großen und ganzen einer Stellungnahme enthalten. Die gegenwärtige nationalistische Regierung wird von dem burenbewußten Teil der Bevölkerung unterstützt. In dieser Bevölkerungsgruppe hat die Holländisch-reformierte Kirche entscheidenden Einfluß. Der Kreis schließt sich also: Die Regierung kann nicht ohne die protestantischen Holländisch-Reformierten sein und diese Glaubensgemeinschaft wieder ist nicht stark genug, um gegen den Willen ihrer Gläubigen vorzugehen. Nichtsdestoweniger hat es auch in den Reihen der Holländisch-Reformierten Einwände gegen die weitgehenden Vollmachten gegeben, die der Minister nach diesem Gesetzentwurf haben sollte.

Angesichts dieser Proteste sah sich der Minister für Eingeborenenfragen nun doch veranlaßt, die Klausel „29 C” neu zu fassen. In der revidierten Form, die dem Parlament vorgelegt wurde, soll er nach wie vor das Recht haben, gemeinsame Versammlungen von Europäern und’ Nichteuropäern zu verbieten. Ein Verstoß hiergegen soll aber keine strafbare Handlung für die Geistlichen darstellen, die derartige Gottesdienste abhalten oder für die Verantwortlichen anderer Organisationen, die gemischte Versammlungen durchführen. Vielmehr soll die Last jetzt ausschließlich von den Nichteuropäern getragen werden, die an derartigen Versammlungen teilnehmen, wenn die städtischen Behörden der Ansicht sind, daß ihre Teilnahme die Ruhe und Ordnung stören kann. Diese Abänderung führt zwar dazu, daß Geistliche in solchen Fällen nicht gegen das Gesetz verstoßen würden, aber vom ethischen Standpunkt aus hat sich nichts geändert. Es würde immer noch bedeuten, daß Nichteuropäer belangt werden können, nur weil sie ein „europäisches” Gotteshaus auf suchen. Seit der Veröffentlichung des Wortlautes dieses Abänderungsvorschlages haben die verantwortlichen Vertreter der Holländisch-reformierten Kirche mit dem Minister für Eingeborenenfragen eingehende Besprechungen über dieses Problem geführt und abschließend erklärt, daß sie gegen die gegenwärtige Fassung des Gesetzes keinerlei Einwände zu erheben haben. Es fehlt allerdings nicht an Anzeichen, daß man sich auch in Holländisch-reformierten Kreisen nicht

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