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KARL MARIA STEPAN / EIN OSTERREICHER IN GRAZ

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Unser Land ist heute nicht reich an politischen Charakterköpfen. Die hochragende Gestalt Karl Maria Step ans hat in langen, schweren Jahren und Jahrzehnten bei Freund und Feind hohe Achtung gefunden. Dieser auch körperlich hochragende Mann wurde vielen zum Ärgernis. Wie hätte es auch anders sein können: Die Politik und die Gesellschaft lieben das Geschliffene, das sich zumindest zum Schein Duckende, das sich verbindlich-unverbindlich Anpassende. Dieser Mann da, der nun siebzig wird, hat es sich selbst nicht leicht gemacht. Doktor Karl Maria Stepan ist einen langen Weg gegangen, in steter Arbeit an sich selbst, in allen Wandlungen der Zeit auch sich selbst korrigierend, sich immer treu. Sein Lebensweg ist der Weg eines österreichischen Katholizismus, der Weg katholischer Politiker, der Weg aus der Enge und Not in der Schocksituation nach dem ersten Weltkrieg in die Weite einer weltoffenen Katholi-zität. In seinem Eingang steht das Erlebnis des ersten Weltkrieges. In seiner heutigen Entfaltung steht in den Editionen des von ihm geführten Verlages Styria und seinen Publikationen ein der Zukunft zugewandtes kulturpolitisches katholisches Schaffen.

Karl Maria Stepan wurde am 24. Juni 1894 in Wien geboren. Am Vorabend des ersten Weltkrieges beginnt er in Wien Jus zu studieren, rückt 1914 ein, gerät als österreichischer Offizier Ende 1915 in russische Kriegsgefangenschaft, kehrt 1920 aus der Gefangenschaft heim in das zerstörte, aufgewühlte und verstörte Österreich. 1923 schließt Stepan seine Studien in Graz ab. Den jungen, von einem leidenschaftlichen Willen, Verantwortung zu übernehmen und Verantwortung für das politische Schicksal Österreichs zu tragen, erfüllten Mann drängt es in die Politik. Der junge Stepan wird Sekretär der Christlichsozialen Partei in der Steiermark. Stepan will wirken: in der politischen Willensbildung. Er will wirken durch das Wort: In Wort und Schrift, als leidenschaftlicher Redner und als Publizist, betritt er die Bühne der Öffentlichkeit. Im Jahre 1928 übernimmt er die Leitung der Katholischen Pressvereinsanstalten der Diözese Seckau. Das ist die Zeit, in der Kirche und Politik, auch Parteipolitik, in Österreich vielfach miteinander verbunden sind. Die Gestalt des Prälaten Seipel ist für diese erste Periode charakteristisch.

Karl Maria Stepan beobachtet den Aufstieg Hitlers und wirft sich mit aller Kraft in den Kampf gegen das Unwesen der „Bewegung“, die als erstes Österreich erobern, dann Europa sich hörig machen möchte. Im schicksalsschweren Jahr 1934 wird Stepan durch Bundeskanzler Dr. Dollfuß zum Bundesleiter der Vaterländischen Front bestellt. Wenn es an diesem Mann, an seinem kämpferischen Willen allein gelegen wäre, dann wäre diese „VF“ wohl ein Verband, klar, diszipliniert und von kämpferischen Qualitäten geworden. Zu viele Faktoren verhinderten dies. Stepan wird zwar im Oktober dieses selben Jahres auch Landeshauptmann in der Steiermark. Zu verschieden ist jedoch dieser Mann von dem sensiblen Kanzler und Staatsführer in Wien, von Dr. Kurt Schuschnigg. Obwohl es erst im Februar 1938 zu seinem öffentlichen Rücktritt kommt, waren die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Dr. Schuschnigg schon lange ein ihn bedrückendes Problem geworden.

Am 12. März 1938 beginnt für Karl Maria Stepan wie für viele bekannte und unbekannte Österreicher die österreichische Passion. Dachau, Mauthausen, Gusen. Wer spricht heute bei uns von diesen Schandlagern, von denen doch die Überlebenden in vielen Ländern Europas so furchtbare Erinnerungen bewahren ...

Hilfsarbeiter in einem Ledermagazin nach der Entlassung. Nach dem 20. Juli 1944 neuerlich verhaftet, kommt er in die Lager Flossenbürg und wieder nach Dachau, wo er bis zur Befreiung durch die amerikanischen Truppen bleibt. Im Oktober 1945 übernimmt Dr. Karl Maria Stepan wieder die Leitung der Katholischen Pressvereinsanstalten in der Steiermark. Hochverdient um den Aufbau eines fortschrittlichen katholischen Verlagswesens und einer mutigen Presse, bezeugen die „Styria“ und die „Kleine Zeitung“, Graz, heute in Österreich — und durch die Verbindung Graz-Köln im Verlagswesen — das Werk dieses Mannes nach 1945.

„Der Stepan“: Ausgeschieden aus der Tagespolitik nach 1945, ist dieser hochgebildete, geistig junge, immer wache Mann nun für bereits drei Generationen im katholischen Österreich und darüber hinaus zu einem mahnenden Sinnbild geworden: eine lebendige Mahnung gerade an die Jungen, nicht um des „Erfolges“ toillen den Charakter aufzugeben. Eine Mahnung an die mittleren Jahrgänge, in der oft hektisch gewordenen Betriebsamkeit nicht die Bildungsarbeit an der eigenen Person zu vergessen. Eine Erinnerung für jene, die einst mit ihm und gegen ihn in Österreich und um Österreich gekämpft haben. Der Stepan: ein ganzer Mann, ein politischer Katholik im besten Sinn des Wortes in Österreich.

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