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Erstmals wurden Briefe des früheren steirischen Landeshauptmanns Karl Maria Stepan aus Gefängnis und KZ veröffentlicht.

Er war einer derjenigen, die sich aus ihrer christlich-sozialen Prägung und Überzeugung sowie ihrer patriotischen, antinationalsozialistischen Gesinnung heraus für den Ständestaat exponierten; die aber - geläutert durch den Terror des NS-Regimes und die europäische Katastrophe, in die dieses mündete - nach dem Krieg begriffen, dass man nicht dort anknüpfen dürfe, wo man 1938 aufgehört hatte. Diese zentralen biographischen Elemente verbinden Karl Maria Stepan (1894 bis 1972) etwa mit Friedrich Funder (1872 bis 1959), dem Gründungschefredakteur der furche. An der Wiege dieses Blattes stand die selbe Einsicht, die Fritz Csoklich als Motto Stepans charakterisiert: "Wir müssen in vielem ganz neu anfangen".

Csoklich, langjähriger Chefredakteur der Kleinen Zeitung, hat gemeinsam mit dem aus Deutschland stammenden, in Graz lebenden Historiker Matthias Opis ein Buch über den früheren steirischen Landeshauptmann und Styria-Generaldirektor herausgebracht. Herzstück des Bandes sind mehr als 70 Briefe, die Stepan aus Gefängnissen und Konzentrationslagern zwischen 1938 und 1944 an seine Familie geschrieben hat, überdies findet sich darin ein Brief an den Grazer Fürstbischof Ferdinand Pawlikowski, vermutlich aus dem Jahr 1941.

"In bester Gesellschaft"

Es sind dies allesamt bewegende, ja, ans Herz rührende Dokumente, Zeugnisse von tiefer Menschlichkeit und unerschütterlichem Glauben; Zeilen eines Mannes, bei dem Privates und Öffentlich-Politisches, durchdrungen von den selben Grundhaltungen, nicht voneinander zu trennen sind. Stepan, Landeshauptmann von 1934 bis 1938, wurde bereits am Tag des Einmarsches deutscher Truppen, am 12. März 1938, verhaftet und in das Polizeigefangenenhaus Graz eingeliefert. Für seine Zivilcourage und seine Unbeugsamkeit spricht ein Detail seiner Verhaftung, das Csoklich in einem Beitrag zum vorliegenden Buch erwähnt und das er auch bei der Präsentation, sichtlich ergriffen, referierte: Als Stepan abtransportiert werden sollte, saß in dem Polizeiauto bereits der damals in Graz lehrende jüdische Nobelpreisträger Otto Loewi. Stepan drehte sich, als er Loewi sah, noch einmal zu seiner Frau um, bevor ihn die SS-Männer in den "grünen Heinrich" verfrachteten, und rief ihr zu: "Du siehst, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich bin in bester Gesellschaft".

Im November 1938 erinnert er sich in einem Brief an seine damals zehnjährige Tochter, das zweite von fünf Kindern: "Ich muß noch immer daran denken, wie Mutti, Du und ich, wie wir drei, heuer am 11. März, am letzten Tag, den ich mit Euch verbrachte, in der Früh in die Leechkirche gegangen sind und dann im Kaffeehaus (!) gefrühstückt haben. Mutti hatte noch einiges zu besorgen, und da sind dann wir zwei ganz alleine durch den Stadtpark gepilgert. Weißt Du das noch? Das war mein letzter Spaziergang, und den habe ich mit Dir unternommen."

Und im Dezember 1944 - es ist dies der jüngste der hier publizierten Briefe - schreibt Stepan: "Weihnachten steht vor der Tür, und uns allen ist es so ganz anders zumute, wie vor einem Jahr, weil alles so ganz anders geworden ist. In diesen Tagen muß ich oft daran denken, ob Ihr heuer wohl einen Adventkranz habt, und wer die alten Lieder singt. [...] Wenn Ihr meinetwegen traurig seid, weil ich nicht bei Euch bin, dann [...] denkt doch, wie viele Millionen Menschen heutzutage unter ungleich gefährlicheren und gräßlicheren Verhältnissen von den ihren getrennt sind." Immer wieder verbinden sich liebevolle, sorgende Worte an Frau und Kinder mit dem Blick auf das größere Ganze, der allen Widrigkeiten zum Trotz stets ein zuversichtlicher ist.

Neben den Briefen und dem sehr persönlich gehaltenen Beitrag von Fritz Csoklich - der, seit 1959 Chefredakteur der Kleinen, noch mit dem bis 1968 an der Spitze der Styria stehenden Stepan zusammenarbeitete - ist auch die sehr gründlich recherchierte, ausführliche Biographie von Matthias Opis zu nennen, die sich Stepan mit der Unbefangenheit des Nachgeborenen annähert.

Ebenso muss der Text "Krieg zwischen den Kriegen: Österreich 1918-1938" aus der Feder von Kurt Wimmer - Csoklichs Stellvertreter, zuletzt sein Nachfolger als Chefredakteur - genannt werden. Wimmer leuchtet den Zeithintergrund aus, vor dem sich Stepans politische Tätigkeit aber auch seine erste Funktionsperiode an der Spitze des Katholischen Pressvereins (1929 bis 1934) abspielten. Mit feiner Feder zeichnet Wimmer historische Fakten nach und unterzieht dabei ein gängiges, freilich "etwas schlichtes Geschichtsbild" (Wimmer) der Revision, das er folgendermaßen charakterisiert: "Damals kämpften die diktaturlüsternen Austrofaschisten gegen die demokratieverteidigenden sozialdemokratischen Antifaschisten. Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war das 34er Jahr' (Bürgerkrieg) und beendet wurde sie durch den vielbejubelten Einmarsch der Hitler-Truppen im März 1938 (Anschluss')."

Wider ein "schlichtes Geschichtsbild"

Wimmer streicht die Militarisierung beider politischer Lager heraus, zitiert aus dem sozialdemokratischen Linzer Programm von 1926, wo davon die Rede ist, dass es nötig sein könnte, "den Widerstand der Bourgeoisie mit den Mitteln der Diktatur zu brechen"; er nennt aber auch den katholischen Sozialphilosophen Ernst Karl Winter, der zum Staatsstreich der "Selbstausschaltung" des Parlaments sagte: "Ich würde das österreichische Proletariat verachten, wenn es die Position im Staate, die es selbst geschaffen hat, nicht mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote stehen, verteidigen würde. [...] Wenn ich als bekanntermaßen konservativer Schriftsteller in dieser Frage mich auf die Seite des Sozialismus stelle, so aus einem tiefen Gerechtigkeitsgefühl, das die letzte Wurzel des konservativen Denkens ausmacht."

Zu einem konservativen Denken in diesem Sinne ist auch Stepan wohl auf seinem Lebensweg gelangt. Nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen in der Zwischenkriegszeit mied er für das ihm nach dem Krieg anvertraute Verlagshaus Styria allzu große parteipolitische Nähe - ohne dass er freilich an dessen weltanschaulichen Grundlagen Zweifel gelassen hätte. Die geistigen, intellektuellen Freiräume, die Stepan schuf, sollten für die weitere Entwicklung der Styria konstitutiv werden. Dass solche Freiräume nicht selbstverständlich sind, hatte Stepan das Leben hinlänglich gelehrt. Wer sich mit seiner Person befasst, fühlt sich bestärkt, dass es sich lohnt, darum zu kämpfen.

KARL MARIA STEPAN

Briefe des steirischen Landeshauptmannes aus Gefängnis und KZ Fritz Csoklich/Matthias Opis (Hg.) Verlag Styria, Graz Wien Köln 2001 296 Seiten, kt., e 18.-/öS 247,70

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