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Karl Maria Stepan

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Es lichtet sich immer mehr und es wird immer dunkler. Dei Tod hat in diesem Jahr reiche Ernte gehalten, in die Lücken, die er gerissen, fällt das Dunkel der Zeit. Nun ist einer der letzten großen Männer, die die Zeit von 1920 bis 1960 wesentlich mitbestimmt haben, gestorben: Karl Maria Stepan. Mit dem Namen Karl Maria Stepan ist ein großes Stück österreichischer Geschichte verbunden, auch der Geschichte der katholischen Publizistik in diesem Lande. Stepan ist nicht nur ein Symbol für diese Geschichte, er hat diese Geschichte auch gemacht. Er hat für das alte Österreich gekämpft, er stand in den Wirren der Ersten Republik an vorderster Front, er hat für dieses Österreich Leid und Schmach in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches erduldet, er hat nach 1945 einen der größten österreichischen Verlage neu aufgefoaut. Als er vor vier Jahren nach 40jähriger Tätigkeit als Generaldirektor der Styria seinen Abschied nahm, konnte er seinem Nachfolger, Dr. Hanns Sassmann, ein sehr gut bestelltes Haus übergeben. Was immer er in die Hand genommen halt, hat er ganz gemacht. Die harte Arbeit, die er selbst leistete, hat er auch von seinen Mitarbeitern verlangt. Er war vielleicht nicht immer ein bequemer Herr, aber er war immer ein Herr, einer der letzten Grandseigneurs, über die dieses Land verfügte.

Ein freies Wort wußte Stepan immer zu schätzen und er hat immer dem freien Wort seiner Mitarbeiter Rückendeckung gegeben. Wenn das unabhängige katholische Wort ' in Österreich noch einen Klang hat, das katholische Buch und die katholische Publizistik im weitesten Sinne, dann dankten dies Dr. Stepan während seiner 40jährigen Tätigkeit an der Spitze der Styria nicht nur die Mitarbeiter seines eigenen Hauses, auch das katholische Österreich hat ihm dafür zu danken.

Katholisch hat er dabei nie in einem engen Sinn verstanden. Er war immer ein nachkonziliarer Christ, auch schon vor dem Konzil. So sehr sein Werk den Stempel seiner Persönlichkeit trägt — er hat in seiner Liberalität und in seiner Verantwortung immer auch über sich selbst hinaus gedacht. Er hat es verstanden, eine neue Führungsgarnitur heranzuziehen und die fähigsten Leute der katholischen Jugend der ersten Nachkriegszeit an verantwortliche Plätze zu setzen.

Jede neue Zeit findet ihren Ausdruck auch in neuen Menschen. Karl Maria Stepan war es vergönnt, in seinem Leben die große Brücke zu schlagen zwischen einer Vergangenheit, die für viele Menschen heute fast schon zur Legende geworden ist, und einer Gegenwart, die er niemals aus dem Blickwinkel des Vergangenen, sondern immer mit dem Blick in die Zukunft gesehen hat. Ein Mann wie er, der in entscheidenden Abschnitten der Geschichte Position beziehen mußte, hatte nicht nur Freunde. Aber wen er zu seinen Freunden zählte, dem hat er die Treue gehalten bis zum letzten Augenblick. Er hat ein reiches Leben gelebt, er hat Erfolg und Niedergang, Glück und Schmach mitgemacht. Er hat auch das bittere Ende seines Lebens als Mann und als Christ durchlebt und durchlitten. Der Tod war für ihn eine Erlösung. Seine Freunde trauern um ihn. Er war ein ganzer, großer Mann. Es gibt nicht mehr viele von seiner Art.

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