Speerspitze des freien Journalismus

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Österreichs Paradetageszeitung "Die Presse" feiert ihr 150jähriges Bestehen - mit einem prachtvollen Bildband und einer sehenswerten Ausstellung.

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Österreichs Paradetageszeitung "Die Presse" feiert ihr 150jähriges Bestehen - mit einem prachtvollen Bildband und einer sehenswerten Ausstellung.

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Der Raum leuchtet in der blauen Farbe der jubilierenden Zeitung, Bilder, Erinnerungsstücke aus anderthalb Jahrhunderten ziehen die Blicke auf sich, plötzlich ertönt laut eine Glocke. Ein junger Mann schmettert eine Schlagzeile ins überraschte Volk, preist eine Zeitung an, die er vor sich her schwenkt, und rät zu einem Abonnement, weil das billiger komme. Wir befinden uns im Historischen Museum der Stadt Wien, die Tageszeitung "Die Presse" feiert ihr 150jähriges Bestehen mit einer Ausstellung, deren Besuch für jeden Medieninteressierten als Pflichttermin beginnen mag, aber in der Regel als Genuß verlaufen und enden wird.

Die Geschichte der "Presse" beginnt im Revolutionsjahr 1848, als der Unternehmer August Zang aus Paris die Idee zu einer Zeitung mitbrachte und umzusetzen wußte. Am 3. Juli 1848 erschien "Die Presse" zum ersten Mal. Mit dem Geburtsjahr der "Presse" begann auch die Geschichte freier Medien in diesem Land, betont der heutige "Presse"-Chefredakteur Andreas Unterberger. Für Günter Düriegl, den Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien, ist es keine Frage, daß die Geschichte einer Zeitung gut ins Museum paßt, denn sowohl Museen als auch Zeitungen haben eine politische und moralische Funktion. Das Nichterscheinen während der NS-Zeit, die einzige Zäsur in der "Presse"-Geschichte, sei eine "ehrenvolle Unterbrechung" einer sonst lückenlosen Entwicklung gewesen.

Diese Entwicklung wird mit vielen Bildern, mit vielen Texten aus alten "Presse"-Ausgaben, aber auch mit anderen Exponaten sehr übersichtlich und interessant vorgestellt. Karl Kraus, einer der heftigsten Kritiker der besonders unter dem Eigentümer Moriz Benedikt als "Neue Freie Presse" (ab 1864) ihre Blütezeit erlebenden liberal gesinnten Zeitung, kommt ebenso ins Bild wie die prominentesten "Presse"-Redakteure und Mitarbeiter aus 150 Jahren. Wer weiß schon, daß kurze Zeit auch Karl Marx als London-Korrespondent zum Mitarbeiterstab zählte, daß Theodor Herzl hier Feuilletons, aber nicht seine zionistischen Ideen zu Papier bringen durfte?

Sätze wie "Schießt sie todt, die Hunde, es sind Journalisten!" oder "Es gibt nichts Korrupteres als unsere Journalistiker", wie sie die Ausstellung in Erinnerung ruft, gehören der Vergangenheit an, wo heute noch abgeschwächt Ähnliches zu hören ist, dürfte mit allergrößter Wahrscheinlichkeit schon lange nicht mehr der Journalismus der "Presse" gemeint sein. Bereits Stefan Zweig urteilte: "In Wien gab es eigentlich nur ein einziges publizistisches Organ hohen Ranges, die Neue Freie Presse, die durch ihre vornehme Haltung, ihre kulturelle Bemühtheit und ihr politisches Prestige für die ganze österreichisch-ungarische Monarchie etwa das gleiche bedeutete wie die Times für die englische Welt".

Noch die "Presse" der Nachkriegszeit, die Männer wie Ernst Molden oder Milan Dubrovic prägten, war mit ihrem Niveau und ihrer Noblesse ein einsames Qualitätsprodukt in der heimischen Medienlandschaft. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch seiner Jugendtage, als es einfach unumgänglich war, zur politischen Lage die Kommentare von Otto Schulmeister und die Karikaturen von Gustav Peichl alias Ironimus zu kennen, zu Wirtschaftsthemen die Analysen von Karl Graber, zu Theaterpremieren die Kritiken von Piero Rismondo, zu Sportereignissen die Glossen von Kurt Jeschko gelesen zu haben.

Heute ist die Medienlandschaft vielfältiger geworden, "Die Presse" ist nicht mehr der alles überragende einsame Leuchtturm, aber sie ist auf der Höhe der Zeit - sie führt auch auf Bildschirmen in der Ausstellung in die moderne elektronische Medienwelt und präsentiert sich als erste heimische Tageszeitung mit einer CD-Rom. Das Wiener Publizistikinstitut steuerte ein Video zur Ausstellung bei. Für junge Besucher werden die "Sturz-Skier" des Hermann Maier von den Olympischen Spielen in Nagano und andere Sport-Ikonen (das Muster-Racket von Paris 1995, der Krankl-Dreß von Argentinien 1978, die Kappe von Ernst Happel) die Hauptattraktion sein. In der Zeitungsgeschichte spiegelt sich ja das gesamte Geschehen seit 1848.

Vor allem das Buch zur Ausstellung, 32 Beiträge namhafter Autoren zur Geschichte der Zeitung, verbunden mit der allgemeinen Geschichte, führt vor Augen, was in dieser Zeitung, die stets ein edler "Stall" hervorragender Mitarbeiter war, geleistet wurde und wird. Stets ist "Die Presse", und das ist nicht selbstverständlich im heutigen Mediengeschehen, ein wirklich österreichisches Produkt geblieben. Den Titel "Ein Stück Österreich" sollte man auch in diesem Sinn unterstreichen, aber noch ergänzen: ein wichtiges Stück Österreich.

Buch: Ein Stück Österreich - 150 Jahre "Die Presse".

Herausgeber: Julius Kainz, Andreas Unterberger. Verlag Holzhausen, Wien 1998, 320 Seiten, 350 Illustrationen, öS 548, Ausstellung: 16. Mai bis 30. August 1998 im Historischen Museum der Stadt Wien.

1040 Wien, Karlsplatz, täglich außer Montag, 9-18 Uhr.

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