Zweierlei Mozart in Salzburg

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Das Jugendwerk "Mitridate, Re di Ponto" in gefühlsintensiver Realisation, die "Zauberflöte" in sterilem Hochglanz.

Ein interessanter Vergleich bietet sich in diesem Jahr den Besuchern der Salzburger Festspiele in Sachen Wolfgang Amadeus Mozart, neben der letzten Oper des Komponisten, der 1791 uraufgeführten "Zauberflöte", steht der erste internationale Erfolg des Salzburger Meisters auf dem Programm: das Dramma per musica "Mitridate, Re di Ponto", eine Oper des 14-jährigen Mozart, geschaffen 1770 für das Mailänder Teatro Regio Ducal - ein Werk, das zwar äußerlich der starren Form der Opera seria verhaftet ist, in dem aber bereits die für Mozart später berühmten "Herzenstöne" aufblitzen.

Tiefe des "Mitridate"

Beide Neuproduktion stehen aber auch für unterschiedlichste Rezeptions-Ansätze: "Mitridate" für eine gefühlsintensiv in die Tiefe dringende musikalische Realisation, "Die Zauberflöte" für eine hochglanzpolierte, aber auch seelenlose Darbietung. Das frühe Werk um König Mitridate und seine in ihrer Loyalität auf die Probe gestellten Söhne Sifare und Farnace wird von Marc Minkowski mit immensem Sinn für Klangfarben und Ausdruckswerte, mit Leidenschaft und Spannung am Pult der vorzüglichen Musiciens du Louvre-Grenoble zum Klingen gebracht. Und diesem Musizierstil folgen auch die Solisten: Miah Persson als Sifare singt mit ausdrucksvollem Sopran die aberwitzigen Koloraturen ebenso superb wie lyrische Legatophrasen. Ein ausgezeichneter, koloraturagiler, zu dramatischen Akzenten fähiger Countertenor ist mit Bejun Mehta in der Rolle des Franace aufgeboten. Stimmschön agiert Ingela Bohlin als Ismene, während Richard Croft als expressiver Mitridate zuweilen etwas forciert klingt. Nicht ganz an das Ausdrucksvermögen ihrer Kollegen reicht Netta Or als dennoch virtuose Aspasia heran.

Luxus-"Zauberflöte"

Welch ein Unterschied danach die "Zauberflöte" unter Riccardo Muti, der nach zehn Jahren erstmals wieder Oper in Salzburg dirigiert: Sein Mozart am Pult der klangschönen Wiener Philharmoniker zieht luxuriös vorüber - ohne aber in die Tiefe zu gehen. Daran können auch tadellose sängerische Leistungen wie die lyrische, feinsinnige Genia Kühmeier als Pamina, der vitale Papageno von Markus Werba, der sonor würdige Sarastro von René Pape, drei stimmüppige Damen (Edith Haller, Karine Deshayes, Ekaterina Gubanova) oder der textpräsente Sprecher von Franz Grundheber wenig ändern. Stimmlich allzu routiniert wirkt Michael Schade als Tamino, etwas höhenschrill die Papagena von Martina Janková und zwar virtuos höhenstark, aber kaum dramatisch nachdrücklich die Königin der Nacht von Anna-Kristiina Kaappola.

So unterschiedlich wie die musikalischen Ansätze, so verschieden auch die Inszenierungen: Auf der Bühne des großen Festspielhauses hat Graham Vick in einer Ausstattung von Paul Brown bei der "Zauberflöte" nach originellem Beginn (Tamino in einem heutigen Jugendzimmer) den gedanklichen Faden verloren: Bilder, Ideen, Effekte und Auslegungen, insbesondere des zweiten Teils im priesterlichen Altersheim, stehen stückwerkartig nebeneinander, bleiben aber zu oft ohne logische Konsequenz und fügen sich nicht zu einer schlüssigen Gesamtaussage.

Auf der kleinen, raffiniert von Jürgen Bäckmann ausgestatteten, geschickt Spiegeleffekte nutzenden Bühne im Residenzhof ereignet sich dagegen bei "Mitridate" beziehungsreiches Theater, selbst wenn manche Aktionen in Günter Krämers Regie allzu aufgesetzt wirken: Die höchst unterschiedlichen persönlichen Beziehungen der Figuren, deren menschliche Gefühle und Empfindungen stehen in dieser Inszenierung losgelöst vom historischen Hintergrund im Mittelpunkt und werden als solche transportiert.

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