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Die Kirche fürchtet sich am meisten vor der Säkularisierung, der Verweltlichung aller Lebensbereiche. In Wirklichkeit müsste sie sich vor allem vor der Pluralisierung fürchten, also der Entwicklung vom dumpfen Schicksal zur eigenen Wahl. Oder noch besser: sich darauf gewissenhafter vorbereiten! Auf diesen einfachen Nenner könnte man eine Botschaft bringen, die der bekannte Soziologe der Boston University, Peter L. Berger, deutlich ausformuliert.

Seine Analyse ist vielfältig belegbar. Was alles im Leben war nicht einmal Schicksal, dem der Einzelmensch wenig entgegenzusetzen hatte: der Ehepartner oder die Ehepartnerin, Beruf und soziale Klasse, Bildung und Wohnort. Nur wenige konnten sich aus dem festen Gefüge gesellschaftlicher Zwänge und Gegebenheiten herausarbeiten. Heute haben fast alle eine Gelegenheit dazu.

Bessere wirtschaftliche Verhältnisse machen ständig neue Entscheidungen notwendig: Urlaub oder feine Restaurants, ein neues Auto oder ein Sparbuch. Zwischen Schultypen und Automodellen, mehr Geld oder mehr Freizeit, früherem oder höherem Pensionsbezug und vielem mehr kann heute gewählt werden. Spektakuläre Wahlmöglichkeiten stehen uns noch bevor, auch auf der Suche nach Ethik und Lebenssinn.

In unserer "frei schwebenden Globalkultur" sind plötzlich viele unterschiedliche Lebensformen zur Disposition gestellt: Sexual- und Lebenspartnerschaften aller Art, Moralregeln und Weltanschauungen. Gläubige Christen haben Atheisten, Agnostiker, Esoteriker, Muslime und Buddhisten zu Freunden, Arbeitskollegen, Nachbarn oder gar Verwandten. Immer mehr Menschen basteln sich ihre eigene Religion zusammen. Das verwirrt, verunsichert und beunruhigt viele.

Wie sollen Kirchen darauf reagieren? Fundamentalismus, also fanatisches Festhalten am Hergebrachten, liegt nahe, bringt aber nichts. Aber auch Abrücken von eigenen Grundsätzen ist kein Rezept.

Der Soziologe Adam Seligman empfiehlt "epistemologische (also erkenntnistheoretische) Bescheidenheit": Letztlich sind wir alle Suchende! Keiner Religion fällt diese Haltung leicht.

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