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Das EU-Parlament will der Ausbeutung von Jugendlichen durch kostenlose oder schlecht bezahlte Praktika einen Riegel vorschieben. Das Ende der „Generation Praktikum“?

Tod eines Praktikanten, heißt ein Theaterstück, das vor drei Jahren im Berliner Prater-Theater uraufgeführt wurde. Den Praktikanten suchte man in René Pollesch Stück jedoch vergeblich – allein die kreideweißen Umrisse seines Körpers auf dem schwarzen Bühnenboden sollten an ihn erinnern. Eine Inszenierung, vom Leben geschrieben; oder präziser gesagt: von einem geduldeten Missstand. Damals erregte der Umgang der Arbeitgeber mit Praktikanten erneut mediale Aufmerksamkeit. Die Zahl unbezahlter und unterbezahlter Praktika war rasant gestiegen. Bedeutungsvoll war die solidarische Wortverbindung „Generation Praktikum“ für diesen Trend zusammengezimmert worden, bevor sie in den Sog der Medien geriet. Mittlerweile ist sie zum geflügelten Wort avanciert und trägt einen Bart.

Teure Bereicherung

Prag, Washington, Paris. Drei Städte, drei unbezahlte Praktika. Maria T. studierte Politikwissenschaften und Russisch in Wien. Diplomatin wollte sie werden, wie viele ihrer damaligen Studienkollegen. Alle aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis haben während des Studiums Praktika gemacht, erzählt die junge Frau. Wenn sie nicht mitgezogen wäre, hätte sie das Gefühl gehabt, sich für ihren Traumberuf zu disqualifizieren. Für ihre Karriere nahm sie einiges in Kauf. Unterstützt wurde sie von ihren Eltern, auch finanziell. Vor allem das Leben in Washington war teuer, die Unterkunft musste sie sich selbst organisieren. Insgesamt habe es sich aber bezahlt gemacht, sagt sie. Sie hatte das Gefühl, etwas gelernt zu haben. Maria T. ist dankbar: Ihr sei bewusst, dass sich nicht alle diese Bereicherung leisten können.

Dieses Bewusstsein scheint nun auch in der Politik angekommen zu sein. Das Europaparlament will kostenlose Praktika jetzt verbieten. In einer Resolution spricht sich der Beschäftigungsausschuss der Straßburger Volksvertretung dafür aus, eine Europäische Qualitätscharta mit Mindestanforderungen für Praktika zu schaffen, darunter auch eine Mindestzuwendung basierend auf den Lebenshaltungskosten am Praktikumsort. Verfasst wurde der Bericht von der jüngsten EU-Abgeordneten, der 26-jährigen dänischen Grünen Emilie Turunen. Praktika sollen Teil der Ausbildung sein und keine Arbeitsplätze ersetzen, heißt es weiter in der Resolution. Sie sollten zeitlich begrenzt sein, die Tätigkeit und die zu erwerbenden Qualifikationen klar ersichtlich sein. Derzeit gibt es in der EU zwar befristete Praktika, diese sind jedoch in der Regel unbezahlt. Neben einer angemessenen Bezahlung fordert der Ausschuss zudem Versicherungsschutz und Sozialleistungen für Praktikanten. Nun ist die EU-Kommission am Zug.

Ansprüche, die Laura B. bei ihrem letzten Praktikum gern eingeräumt hätte. Jus und Sinologie studiert die 23-Jährige. Fast fünf Monate arbeitete sie bei einer bekannten NGO für Menschenrechte, deren Namen sie nicht nennen möchte. Für viele wäre die Arbeit in dieser Organisation ein Karrieresprungbrett gewesen, hatten ihr die Arbeitgeber beim Vorstellungsgespräch erklärt. Das Budget wäre aber zu knapp, um allen Mitarbeitern etwas bezahlen zu können. Vertrag hatte Laura keinen. Die meiste Zeit habe sie schweigend eintönige Arbeit erledigt, erzählt sie: „Viele Kollegen vom Institut wussten nicht einmal, wer ich bin, und haben mich wie Luft behandelt.“

Völlig losgelöst von der Erde

Dass dieses soziale und rechtliche Vakuum unakzeptabel ist, bestätigt die Abgeordnete Emilie Turunen. Ihrer Aussage zufolge nehme die Zahl der Praktika zu, während jene der Jobs sinke. „Das ist ein guter Hinweis dafür, dass Praktika in der Tat echte Jobs ersetzen. Und nicht nur ein paar Jobs, sondern Millionen“, kritisiert die dänische Grüne gegenüber dem Kurier. Dies führe dazu, dass viele Jugendliche zwischen dem Arbeitsmarkt und dem Studentenleben gefangen und durch nichts abgesichert seien, so Turunen weiter. Zudem seien die jungen Praktikanten schwerer von der Wirtschaftskrise betroffen, weil sie in vielen Fällen auch die Ersten seien, die gekündigt werden. Die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner stellt sich in diesem Kampf an die Seite von Turunen (siehe Interview links).

Die FDP-Parlamentarierin Nadja Hirsch sieht dies anders: Ein vollständiges Verbot unbezahlter Praktika sei übertrieben. Gegenüber der deutschen Zeitung Welt Online sprach sie sich für die Bezahlung ab einem Einsatz von sechs Monaten aus. Ab diesem Zeitpunkt könne der Arbeitgeber auf Arbeitsleistung bauen.

In Österreich wiederum würden sich Firmen und Politiker zu gerne auf die ohnehin gute arbeitsrechtliche Grundlage hinausreden, kritisiert Evelyn Regner: „Aber was nutzt das, wenn mit Ideen wie dem Superpraktikanten das Gegenteil bewirkt wird, dass nämlich junge Leute signalisiert bekommen: Stellt eure Arbeit gratis zur Verfügung.“ Sie spricht damit auf die Aktion von Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll an, der eine/n „Superpraktikantin/en“ suchen ließ. Pröll lässt diese Kritik nicht auf sich sitzen: Die Aktion „Österreich sucht den Superpraktikanten“ sei kein Praktikum im arbeitsrechtlichen Sinn gewesen, sagt sein Sprecher Daniel Kapp gegenüber der FURCHE: „Es war der erfolgreiche Versuch junge Menschen für die Politik zu interessieren. Unsere Superpraktikantin Reez Wollner begleitete Josef Pröll eine Woche lang und durfte Politikluft schnuppern. Zur Belohnung bekam sie danach eine Woche Skiurlaub und zusätzlich ein Taschengeld in Höhe von 500 Euro.“

Darum gehe es auch bei „echten“ Praktika, erklärt Prölls Sprecher: Berufsfelder ausprobieren zu können und Erfahrungen zu sammeln, es dürfe aber keine dauerhafte Ausbeutung in prekären Arbeitsverhältnissen geben. Pröll betont, wie wichtig die Förderung des Zugangs junger Menschen zum Arbeitsmarkt sei. Zum jüngsten EU-Vorstoß wollte Pröll nichts sagen.

Wie auch diese Aktion zeigt, wird der Begriff „Praktikum“ vielfach verwendet, was Verwirrung schafft. Für den Arbeitsrechtsexperten Wolfgang Mazal (rechts) ist ein Praktikum eine Tätigkeit zu Ausbildungszwecken, die überwiegend im Eigeninteresse des Praktikanten liegt. Die Definition der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus und Papier (GPA-djp) definiert „Praktikum“ als „Teil einer schulischen oder universitären Ausbildung“, wobei im Unterschied zum Volontariat eine gewisse Arbeitspflicht und damit auch Rechte verbunden sind (siehe Kasten).

Wirtschaftskammer gegen EU-Vorstoß

Auf diese Unterschiede weist auch SP-Sozialminister Rudolf Hundstorfer hin: Er spricht sich gegen unbezahlte Praktika aus, so sein Sprecher Norbert Schnurrer. Wenn es eine Arbeitsverpflichtung gibt, dann liegt ein Arbeitsverhältnis vor und es muss nach Kollektivvertrag bezahlt werden. Ansonsten handelt es sich um Volontariate. Das Sozialministerium lässt zurzeit eine Studie zur Praxis von Praktika durchführen, um eventuell im Arbeitsrecht nachzubessern.

Manche angesprochene Organisationen oder Unternehmen sehen keinen Grund für Verbesserungen: Die UNO, die auch unbezahlte Praktika anbietet, will sich eines Kommentars enthalten, so eine Sprecherin. Die Richtlinien für Praktika („internships“) hätten die Mitgliedstaaten festgelegt.

Die Wirtschaftskammer Österreich lehnt den EU-Vorschlag ab. Praktika seien in Österreich kein Dauerzustand, sondern der Einstieg in ein echtes Dienstverhältnis, erklärt Rolf Gleißner, von der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit: „Ein Eingriff in dieses in Österreich funktionierende System des Berufseinstiegs ist kontraproduktiv. Werden für Unternehmen Hürden aufgebaut, bekommen tendenziell nur mehr die Besten die Chance für einen Berufseinstieg.“ Er verweist auch auf eine Umfrage der GPA-djp unter Schülern und Studenten (siehe Kasten re.), die eine hohe Zufriedenheit wiedergibt. Der Verdienst steht demnach nicht im Vordergrund der jungen Leute. Wie eine Umfrage der Plattform „Generation Praktikum“ zeigt, verdient nur ein Viertel der Praktikanten mehr als 700 Euro. Der Mindestlohn wird bei ca. 1000 Euro brutto angesetzt. Es liegt der Schluss nahe, dass viele Jugendliche wenig über ihre Rechte wissen, wie Experten meinen. Die Zufriedenheit könnte also auch vermeintlich sein und Unwissenheit über Rechte ausdrücken.

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